Impfen allein genügt nicht

Pharmahersteller sichern ihren Einfluss bei weltweiter Bekämpfung von Infektionskrankheiten

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Der sogenannte Weltgesundheitsgipfel (World Health Summit) ging gestern nach vier Tagen in Berlin zu Ende. Auf dem Treffen berieten über 1200 führende Wissenschaftler, Politiker und Vertreter der Pharmaindustrie über die globalen Herausforderungen in der Gesundheitsfürsorge.

Impfungen gegen ansteckende Krankheiten spielten dabei eine große Rolle, sie werden als kosteneffektivste öffentliche Gesundheitsintervention eingeordnet. Besonders in den ärmsten Ländern stellen Impfstoffe aus Sicht der Gipfelveranstalter die Schlüsselstrategie zur Vermeidung menschlichen Leidens dar.

Die Einschätzung wird insofern verständlich, als auf dem entsprechenden Forum auf dem Berliner Gipfel auch ein führender Forscher von Novartis, dem zweitgrößten Pharmaunternehmen weltweit, zu Wort kam. Novartis liefert mit einer eigenen Impfstoff- und Diagnostikasparte allein von seinem deutschen Standort Impfstoffe gegen Grippe, Frühsommer-Meningoenzephalitis, Diphtherie, Keuchhusten, Tollwut und Tetanus, daneben Wirkverstärker für Grippeimpfstoffe. Novartis ist einer der Hauptsponsoren des Gipfels, neben Siemens und Sanofi. Letzteres Unternehmen mit Hauptsitz in Paris ist als »Sanofi Pasteur« Weltmarktführer für Impfstoffe.

Ins Spiel kamen in Berlin aber auch noch andere Akteure. Zu Wort meldete sich der Aufsichtsratsvorsitzende der GAVI Alliance, Dagfinn Høybråten, mit alarmierenden Zahlen: »Jede Minute sterben drei Kinder an Krankheiten, die durch eine Impfung hätten vermieden werden können«. GAVI Alliance wurde im Jahr 2000 aus öffentlichen und privaten Organisationen gegründet, in ihrem Aufsichtsrat sitzen wiederum Impfstoffhersteller. Sie wird von Gesundheitsorganisationen, WHO und Weltbank unterstützt, auch zahlreiche Regierungen zahlen zu. Die Bundesregierung brachte 2010 vier Millionen Euro auf, in diesem Jahr schon 20 Millionen. Für 2012 wurde eine Steigerung auf 30 Millionen Euro angekündigt.

Ziel der GAVI ist ein umfassender Impfschutz vor allem für Kinder in Entwicklungsländern. Zu 75 Prozent wird die Alliance von der Bill & Melinda Gates Foundation finanziert. Bei einer Geberkonferenz in diesem Sommer in London sollten noch 3,7 Milliarden Dollar aufgetrieben werden, unter anderem, um die Herstellung neuer Impfstoffe gegen Rotaviren und Pneumokokken zu finanzieren. Die Erreger rufen Durchfallerkrankungen bzw. Lungenentzündungen hervor. Das sind Krankheiten, die vor allem bei Kindern auf dem afrikanischen Kontinent häufig tödlich verlaufen. Die Organisation »Ärzte ohne Grenzen« kritisiert, dass es durch die von GAVI gezahlten überhöhten Preise an die Hersteller eine milliardenschwere Finanzlücke im Pneumokokkenimpfprogramm gebe. Ein indischer Hersteller, der alle WHO-Standards erfüllt, kann zum Beispiel die Pneumokokkenimpfung für unter zwei Dollar anbieten, während GAVI an seine Lieferanten sieben Dollar bezahlt.

Den Teilerfolgen der GAVI Alliance bei bestimmten Impfungen stehen weitere Bedenken entgegen: So hatte die WHO bereits 2008 verlangt, dass alle Faktoren, die Gesundheit beeinflussen, zugleich angegangen werden müssten, also auch Armut und Bildung oder der Zugang zu Beschäftigung. Zu denken geben sollte auch, dass die Todesfallstatistiken bei vielen Erkrankungen in den Industrienationen schon vor den Impfprogrammen deutlich zurückgingen, und zwar im Zusammenhang mit besseren Wohnverhältnissen, besserer Ernährung, sauberem Trinkwasser und wachsendem Bewusstsein für Hygiene.

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