Eine Stimme für den Süden
40 Jahre INKOTA: Kontinuität und Wandel eines entwicklungspolitischen Netzwerks
Auf dem Konferenztisch der Berliner INKOTA-Geschäftsstelle liegt eine Jubiläumsausgabe fair gehandelten Kaffees aus Nicaragua. Er trägt den Namen Che. Ansonsten weist in der hellen und ruhigen Atmosphäre der Büroräume nichts auf den bevorstehenden 40. Geburtstag des ostdeutschen entwicklungspolitischen Netzwerkes hin.
Die Geschichte INKOTAs reicht bis ins Jahr 1971 zurück. Damals bildete sich in Halle der Arbeitskreis INformation, KOordination, TAgungen. Der kleine ökumenische Zirkel wurde ins Leben gerufen, um einen Beitrag gegen Weltarmut und Welthunger zu leisten - jenseits des staatlichen Solidaritätsmonopols. Niemals Teil der verfassten Kirche, operierte INKOTA doch unter dem Dach des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. Sammelte und tauschte Informationen aus, druckte Publikationen, organisierte Tagungen und knüpfte Kontakte, diesseits der Mauer und über sie hinweg. Kritisch beäugt und abgehört vom Ministerium für Staatssicherheit. »Wir haben im wesentlichen solidarische entwicklungspolitische Bewusstseinsarbeit gemacht, haben aber versucht, die Grenze so löchrig wie möglich zu machen«, erklärt Willi Volks, der seit über zwei Jahrzehnten bei INKOTA aktiv ist.
Die größte Zäsur in der 40-jährigen Kontinuität INKOTAs war die Wende. Das Netzwerk entwickelte sich von einer kirchlichen, staatskritischen Nichtregierungsorganisation (NRO) zu einer immer noch staatskritischen, aber jetzt zusätzlich globalisierungskritischen NRO. Die Auslandsarbeit wurde wichtiger und durch die neuen Kommunikationsmittel konnten plötzlich viel mehr Menschen erreicht werden. Der heutige INKOTA-Geschäftsführer Arndt von Massenbach freut sich, dass das Netzwerk anwachsen konnte. Allerdings spiele der Zusammenhalt, den viele langjährige Mitglieder kannten, nicht mehr so eine große Rolle, da man heute nicht mehr so aufeinander angewiesen sei. »Viele der jungen Leute, die jetzt bei uns mitmachen, wollen an Aktionen teilhaben, aber keine eingetragenen Mitglieder eines Vereins sein und an Mitgliederversammlungen teilnehmen.« Er schätze vor allem die Vielseitigkeit INKOTAs. Alt und Jung, Ost und West, kirchlich und nicht-kirchlich arbeiteten zusammen und diese Basis lasse sich, anders als bei sehr großen Organisationen, rasch mobilisieren.
Nach der Wende, erzählt Willi Volks, seien Westorganisationen auf sie zugekommen und waren der Meinung, das Netzwerk müsse sich zwischen Inlands- und Auslandsarbeit entscheiden. »Doch wir betrachten das als zwei Seiten einer Medaille und wollen beides nicht trennen.« In diesem Punkt habe INKOTA Kontinuität bewiesen. Allerdings veränderte sich die Inlandsarbeit, führt er weiter aus. Früher habe man vor allem auf klassische Bildungsarbeit, wie Seminare, Tagungen und Wissensvermittlung gesetzt, doch jetzt würden Kampagnen gestartet, die Raum für aktives Handeln böten, wie öffentliche Aktionen, Straßentheater und das Sammeln von Unterschriften.
Die Auslandsarbeit INKOTAs besteht aus der Unterstützung von sozialen Bewegungen und deren Widerstandsformen vor Ort als auch aus konkreten Projekten. In Nicaragua beispielsweise, schildert Arndt von Massenbach, wurde gemeinsam mit ehemaligen Baumwollpflückerinnen überlegt, wie der durch die Baumwollmonokultur ausgelaugte Boden revitalisiert werden könne. Den Frauen wurde das Land zur Verfügung gestellt und durch biologische Landwirtschaft gelang es, die Erde wieder fruchtbar zu machen. Zwei der Frauen halten sich gerade in Deutschland auf, um über das Projekt zu berichten. Die Resonanz aus den Ländern des Südens, so Willi Volks, sei ein wichtiger Bestandteil der Arbeit. »Auf diese Weise mischen sich die Menschen mit ihrer Stimme ein und stellen eine Authentizität her, wie wir das niemals könnten.«
Kontinuität will INKOTA auch in Bezug auf die Partnerländer wahren. Es handelt sich um Länder, mit denen schon zu DDR-Zeiten Kontakt bestand - Guatemala, Nicaragua, El Salvador, Mosambik und Vietnam. »Es ist nachhaltiger, in einem Land mehrere Projekte durchzuführen als in mehreren Ländern jeweils nur eins«, erklärt Arndt von Massenbach. Doch in der längerfristigen Perspektive könne er sich schon vorstellen, noch mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten.
Auch thematisch bleibt sich INKOTA treu. »Hunger bekämpfen, Armut besiegen« waren von Anfang an die übergeordneten Ziele. »Globalisierung gerecht gestalten« wurde nach der Wende hinzugefügt. Sind diese Vorhaben zu hoch gesteckt? Willi Volks relativiert: »Vielleicht müsste man korrekter sagen, wir wollen einen Beitrag auf dem Weg dorthin leisten.« Doch will er die Erfolge auch nicht klein reden, denn erfolgreiche Projekte bedeuteten für die Menschen wichtige Veränderungen zum Positiven. Die Herausforderung sei es, ergänzt Arndt von Massenbach, kleine Schritte zu machen, auf der Strecke Erfolge zu erzielen, und dabei das große Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Doch am 5. November wird erst einmal mit vielen Gästen, Partnern und Unterstützern im LaLuz in Berlin-Wedding gefeiert.
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