Betten machen für zwei Euro
Immer öfter umgehen Hotels den Mindestlohn für Reinigungskräfte
Dass Berlin mittlerweile zum absoluten Touristenmagneten avanciert, hat für einige Stadtbewohner einen besonders bitteren Beigeschmack. Gemeint sind diesmal nicht die verärgerten Alteingesessenen, die sich über die zunehmenden Besucherströme beschweren, es sind die Zimmermädchen und Reinigungskräfte der über 800 Hotels in der Stadt.
Oft arbeiten die Angestellten externer Reinigungsfirmen für Löhne, die jenseits aller tariflichen Vereinbarungen liegen - manchmal für ein bis zwei Euro pro Zimmer. Möglich macht das eine geschickte Umgehung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, das eigentlich einen Stundenlohn von 8,55 Euro für Gebäudereiniger festlegt.
Dienstleister, die von Hotels beauftragt werden, bezahlen nicht nach Zeitaufwand, sondern pauschal nach der Anzahl der zu putzenden Zimmer: Im Arbeitsvertrag wird zwar ein Stundenlohn angegeben, dieser relativiert sich jedoch schnell, teilt man ihn durch die meist 25 bis 30 Zimmer, die pro Tag gereinigt werden müssen. So bleibt faktisch nur ein Stundenlohn von unter zwei Euro übrig. Bis die im Arbeitsvertrag festgeschriebene Zimmeranzahl nicht abgearbeitet ist, rückt der Feierabend in weite Ferne.
Skrupellose Unternehmen stellen zudem Zimmermädchen oft nicht als Gebäudereiniger ein, sondern als Servicekräfte, für die kein Mindestlohn festgelegt ist. Das Polieren von Gläsern oder das Auffüllen der Minibar wird prozentual als Service abgerechnet und von dem Anteil der eigentlichen Reinigungstätigkeiten abgezogen. »Diese Praktiken sind durchaus üblich und ziehen sich durch alle Preisklassen der Hotels«, sagt Sebastian Riesner, Sekretär der Gewerkschaft Nahrung- Genuss-Gaststätten (NGG). »Es handelt sich hier nicht um ein paar schwarze Schafe unter ansonsten weißen Lämmern«, erklärte er.
Auf der anderen Seite glänzen die Umsatzzahlen des Hotelgewerbes: Laut einer Pressemitteilung des Amtes für Statistik Berlin stiegen die Einnahmen der Beherbergungsstätten im ersten Halbjahr 2011 um 10,9 Prozent. Äquivalent verhalten sich die Zahlen der Übernachtungen von in- und ausländischen Gästen, die im Jahr 2010 um ein Zehntel auf 20,8 Millionen zunahmen, das sind doppelt so viele wie in München und Hamburg zusammen.
Der Konkurrenzkampf um die jährlich 20 Millionen Übernachtungen in Berlin wird vor allem von marktwirtschaftlichen Überlegungen und möglichen Einsparungspotenzialen getrieben. »Wenn ein Hotel einen Reinigungsauftrag über 200 Zimmer ausschreibt, dann kann der Preiskampf nur über die Löhne der Beschäftigten stattfinden, mit Kosten für Reinigungsmittel wird sich da nicht viel machen lassen«, erklärte Riesner die Sparanstrengungen der Hoteliers.
Für die Hotels reicht es oft aus, wenn sie sich im Werkvertrag zusichern lassen, dass die Mitarbeiter nach Tarif bezahlt werden. Wirklich überprüft wird das selten.
Fälle, in denen durch Schlupflöcher im Arbeitsvertrag sittenwidrige Beschäftigungsformen entstehen, sind dem Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Berlin (DEHOGA), Thomas Lengfelder, auf Nachfrage nicht bekannt. Wenn es tatsächlich zu Einsparungen bei Lohnzahlungen käme, wären das »normale Prozesse« der Marktwirtschaft, erklärte er. Die Frage, ob Hotels die Arbeitsbedingungen ihrer Angestellten im Einzelfall überprüfen sollten, hält Lengfelder für »weltfremd«.
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