Israel verstärkt Siedlungsausbau
Palästinenserführung empört / EU verlangt Rücknahme des Beschlusses / Bei Tel Aviv neue Rakete getestet
Jerusalem/Ramallah (dpa/nd). Die Hoffnungen auf eine baldige Fortsetzung der Nahostfriedensverhandlungen haben einen schweren Dämpfer erhalten. Als Reaktion auf die Aufnahme der Palästinenser in die UNESCO will der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Siedlungsausbau in Ostjerusalem und im Westjordanland noch beschleunigen. Trotz aller internationaler Kritik will Israel 2000 neue Wohneinheiten bauen. Die Palästinenser aber haben einen Siedlungsstopp zur Bedingung von Verhandlungen gemacht. Außerdem sollen Steuer- und Zollrückzahlungen vorerst nicht an die Palästinenser weitergeleitet werden. Das sagte ein Regierungssprecher. Es gehe um eine Zahlung von 100 Millionen Dollar.
Das Außenministerium in Berlin äußerte sich am Mittwoch besorgt über die Verhärtung der Positionen. Minister Guido Westerwelle ließ mitteilen, das Ziel eines Palästinenserstaates könne nur über Verhandlungen erreicht werden. »Es gibt keine Abkürzungen durch Aufnahmeanträge in internationale Organisationen, die an der Lage vor Ort nichts ändern«, stand in einer schriftlichen Mitteilung des Ministeriums. Deutschland hatte gegen die Aufnahme der Palästinenser in die UNESCO gestimmt. Zugleich hieß es aber in der Mitteilung: »Ebenso klar ist, dass die fortgesetzte Siedlungspolitik die Aufnahme von Verhandlungen erschwert«.
Die Palästinenserführung reagierte mit großer Empörung auf die Maßnahmen Israels. »Mit dieser Entscheidung wird das Ende des Friedensprozesses beschleunigt», sagte Nabil Abu Rudeineh, Sprecher von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah. Israel nehme die Entscheidung der UNESCO nur als Vorwand. »Der Ausbau von Siedlungen hat nicht aufgehört, bevor die UNESCO Palästina als Mitglied aufgenommen hat, und wird auch danach nicht aufhören«, sagte der Sprecher.
Israelische Medien berichteten derweil über angebliche Pläne eines Militärschlags gegen iranische Atomanlangen. Netanjahu bemühe sich im Kabinett um eine Mehrheit für eine solche Aktion, schrieb die Zeitung »Haaretz«. Mark Regev, Sprecher Netanjahus, wollte sich am Mittwoch nicht zu dem Thema äußern. »Wir kommentieren nicht jede Spekulation in der Zeitung.«
Israelische Medien haben in den vergangenen Tagen mehrfach über das Thema Iran und einen möglichen israelischen Angriff berichtet. Israel und westliche Länder behaupten, dass Iran an einer Atombombe baut. Israel fühle sich angesichts der feindseligen Haltung Teherans existenziell bedroht. Es gibt jedoch zahlreiche Stimmen, vor allem aus dem Geheimdienstbereich, die vor den gefährlichen Konsequenzen eines Militärschlags warnen.
Derweil haben die israelischen Streitkräfte haben am Mittwoch eine neue Rakete getestet. Ein Vertreter des Verteidigungsministeriums in Tel Aviv teilte mit, man habe ein Raketenantriebssystem erfolgreich eingesetzt. »Der Test war schon lange geplant«, sagte der Sprecher. Das Geschoss sei von der Militärbasis Palmachim in der Nähe von Tel Aviv abgefeuert worden.
Der Repräsentant wollte sich nicht zu Medienberichten äußern, denen zufolge es sich um eine ballistische Rakete mit großer Reichweite handelt, die mit Nuklearwaffen bestückt werden kann. Der israelische Rundfunk berichtete, Israel habe in den vergangenen Jahren Raketen des Typs Jericho weiterentwickelt, die als Interkontinentalraketen gelten. Das System sei bereits 2008 erfolgreich getestet worden.
Das iranische Militär hat Israel vor einem möglichen Angriff gewarnt und zugleich mit schweren Konsequenzen gedroht. »Wir würden sie einen derartigen Fehler bedauern lassen und sie schwer bestrafen«, sagte Generalstabschef Hassan Firusabadi am Mittwoch nach Angaben der Agentur Isna. Er bezog sich dabei auf Berichte aus Israel, nach denen Netanjahu im Kabinett angeblich um Unterstützung für einen Angriff auf Ziele in Iran wirbt. »Sollte uns das zionistische Regime angreifen, dann werden auch die USA getroffen«, fügte Firusabadi hinzu.
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