Meister ihres Fachs
Ballhaus und Tykwer
Das Fliegende Auge« - eine sehr eigene und zugleich treffliche Namensgebung für ein Buch von Gesprächsprotokollen: der Filmregisseur Tom Tykwer befragt den Kameramann Michael Ballhaus. Es sind kenntnisreiche Fragen, die kenntnisreich beantwortet werden. Wer in die Welt des Films eintauchen, viel erfahren will über das Miteinander von Bild und Regie, dem wird der Preis für diese nahezu dreihundert Seiten nicht zu hoch sein. Hier wird die Karriere eines Kameramanns umrissen, der fünfzehn Filme mit Rainer Werner Fassbinder drehte und in Hollywood durch seine Arbeit mit Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, Wolfgang Petersen und Robert Redford fortfuhr, seinen Ruf weltweit zu festigen. Das Fliegende Auge blickt genau - prüft die Echtheit des Filmsets, die Qualität des Lichts, die Eigenheiten der Darsteller. Nichts entgeht ihm, das Auge ist allgegenwärtig und den Filmemachern unentbehrlich.
Mit Tykwer und Ballhaus sind sich zwei Künstler verschiedener Generationen nahe gekommen. Der jüngere weiß den älteren zu fordern. Mit jedem der vielen Filme, über die sie sprechen - es wird kaum umfangreichere Filmografien als die von Michael Ballhaus geben - entlockt er dem Kameramann Geheimnisse seines Fachs: wie wird Spannung, wird Glaubwürdigkeit, werden Stimmungen erzeugt. Und viel wird über die Schauspieler offenbart, die Ballhaus vor der Kamera hatte - Daniel Day-Lewis zum Beispiel blieb in »The Gangs of New York« so versunken in seiner Rolle, dass er nicht als Daniel, sondern nur als Bill the Butcher anzusprechen war, während Leonardo DiCaprio seine Rolle mühelos abstreifen und auf Anhieb wieder in sie schlüpfen konnte, er zudem ein unglaubliches Gefühl für die Kamera hatte, immer sehr präzise in das Licht kam, das man für ihn setzte. Cameron Diaz wiederum »schaffte eine tolle Stimmung - war hoch konzentriert in der Szenenarbeit«. Ihre Intensität, ihre erotische Spannung war wichtig für den Film »als Gegenpol zu dem Druck zwischen Daniel und Leo«.
Vielfältig sind die Beobachtungen des Michael Ballhaus, seine Erfahrung mit Schauspielern ist enorm, es fasziniert, davon zu lesen und ist spannend, und spannend sind auch seine Einschätzungen der verschiedensten Regisseure, mit denen er gearbeitet hat: allesamt Studien der besonderen Art.
Es lohnt sich dem »Fliegenden Auge« zu folgen, diesen für alle Filmfreunde höchst informativen Erinnerungen des Michael Ballhaus an seine Jahre in Deutschland und Amerika und dann wieder in Deutschland.
Das Fliegende Auge. Michael Ballhaus im Gespräch mit Tom Tykwer. Berlin Verlag. 281 S., zahlr. Abb., brosch., 26 €.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.