Streitthema Bildung
Trotz einiger Kompromisse zog sich die siebte Runde der Koalitionsverhandlungen hin
Gestern gingen die Koalitionsverhandlungen im Roten Rathaus zu den Themen Bildung, Wissenschaft und Forschung in die siebte Runde. Mit Verspätung begannen die Gespräche um 12 Uhr - und dauerten über den Redaktionsschluss hinaus an.
Zu besprechen gab es ganz offensichtlich viel. Zwar hatten Unterhändler vorab verlautbaren lassen, es seien bereits gute Kompromisse gefunden worden. Beim Thema Bildung gibt es zwischen den Koalitionspartnern allerdings grundsätzliche Differenzen. Diese betreffen vor allem die Schulform.
Vorab war von einer neuen Verordnung zur Qualitätssicherung an Schulen die Rede, auf die sich Rot-Schwarz geeinigt haben soll. Sie soll im November in Kraft treten und Schulen verpflichten, Informationen zum Personalmanagement oder der Schülerleistung öffentlich zu machen. Bisher erfuhren Betroffene nicht, wenn ihre Schule bei der Schulinspektion durchgefallen war.
Konfliktpotenzial bietet die Frage nach der Schulform. Seit die Schulreform in diesem Jahr auf den Weg gebracht wurde, gibt es nur noch zwei weiterführende Schularten in Berlin: die Integrierte Sekundarschule und das Gymnasium. Einer der Knackpunkte zwischen den Parteien ist darum die CDU-Forderung nach einer Stärkung grundständiger Gymnasien, die mit der 5. Klasse beginnen. Die SPD setzte bisher auf das gemeinsame Lernen bis zur Klasse 7. »Die Aufmerksamkeit sollte weiter auf der Integrierten Sekundarschule liegen. Auch die führt zum Abitur«, sagt ebenso die Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin, Doreen Siebernik. Die Schulreform selbst sieht sie indes nicht bedroht.
Bei der von Rot-Rot eingeführten Gemeinschaftsschule, in der Schüler bis zur 10. Klasse gemeinsam unterrichtet werden, soll das Ende der Pilotphase 2013 abgewartet werden. Wie es dann weitergeht, ist unklar. Bereits eingerichteten Schulen sollen aber bestehen bleiben. Zuletzt hatte die CDU in der vergangenen Woche unter Druck der Einrichtung einer Gemeinschaftsschule in Reinickendorf zugestimmt, die sie zuvor blockiert hatte. Neue Gemeinschaftsschulen lehnt die CDU dennoch ab.
Beim Jahrgangsübergreifendem Lernen (JüL) in der 1. und 2. Klasse, das von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) auf den Weg gebracht wurde, wird es auf Wunsch der CDU voraussichtlich mehr Entscheidungsrechte für die Schulen gegeben. Derzeit gilt JüL - trotz vieler Ausnahmen - als Regelform.
In vorbereitenden Gesprächen hatten sich beide Parteien bereits auf die Einstellung von zusätzlich 140 Lehrkräften und 200 Kita-Erziehern geeinigt. Ab Herbst 2012 sollen diese in »sozialen Brennpunkten« den Betrieb in der Schulanfangsphase verstärken. In Berlin fehlen Tausende Kitaplätze, auch an Erziehern mangelt es. Bereits nach den Verhandlungen am Donnerstag hieß es, man habe sich auf eine »bedarfsgerechte Kita-Platz-Versorgung« geeinigt. Konkreter wurde es zunächst nicht.
Einige Themen dürften auch weiterhin für Konfliktstoff sorgen. Dazu zählt zum Beispiel die Frage nach dem Beamtenstatus der Lehrer. Die CDU will die Rücknahme der 2003 beschlossenen Regelung. Auch in der SPD war man sich über die Verbeamtung zuletzt nicht mehr einig. Da das Thema finanzielle Fragen aufwirft - die Verbeamtung war abgeschafft worden, um Pensionskosten abzubauen -, wird es vermutlich vertagt. Auch beim Thema Religions-/Ethikunterricht ist keine Einigung in Sicht. Die CDU fordert, das Pflichtfach Ethik durch Religion - in Berlin zur Zeit ein freiwilliges Angebot - zu ersetzen. Doreen Siebernik hält das für unverständlich. Nach der deutlichen Entscheidung der Pro-Reli-Abstimmung werde hier »die Demokratie auf den Kopf gestellt.«
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