Ein hart erkämpfter Job
Auch in Sachsen wächst die Zahl der Professorinnen - zwar langsam, aber immerhin
Im März hat die altehrwürdige Leipziger Universität mit der 55-jährigen Beate Schücking erstmals eine Rektorin bekommen. Und auch an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig wurde im Januar mit Renate Lieckfeldt (45) eine Frau an die Spitze gewählt. Die Pharmazeutische Technologin setzte sich als einzige externe Kandidatin gegen den bisherigen Amtsinhaber und einen weiteren Kandidaten durch.
Doch einfach war der Weg der Professorin Lieckfeldt an die HTWK-Spitze nicht. Die Wissenschaftlerin, die zuvor an der Fachhochschule Gelsenkirchen arbeitete, hatte sich schon 2010 um eine Kandidatur bemüht, war aber von den HTWK-Gremien nicht aufgestellt worden. Lieckfeldt legte Rechtsmittel ein, in der Folge wurde das Besetzungsverfahren neu eröffnet. Sie sei für ihre Überzeugungen eingetreten, sagt sie.
Probleme mit dem Pendeln
Die erste Jura-Professorin an der Uni Leipzig ist Katharina Beckemper. »Genau genommen«, sagt sie, »bin ich die erste nach der Wende, aber nur die zweite überhaupt.« Es habe zu DDR-Zeiten an der Uni schon einmal eine Frau als Jura-Professorin gegeben. Entspannt sitzt die 41-Jährige in ihrem Büro mitten in der Stadt und berichtet von ihren Erfahrungen in einer Männerwelt. In der juristische Fakultät mit 17 Professoren-Kollegen sei sie mit offenen Armen empfangen worden. »Man war froh, endlich eine Frau dabei zu haben.« Doch es musste schon passen: Katharina Beckemper besitzt exakt die Qualifikation, um Wirtschaftsstrafrecht zu lehren, und sie war flexibel, bereit, von der Potsdamer Uni nach Leipzig zu gehen. »Ich wäre jedem Ruf gefolgt. Wenn man eine Professorenstelle angeboten bekommt, ist das ein großes Glück, der Ort spielt da keine Rolle.« Ledig und kinderlos konnte sie relativ einfach umziehen.
Pendeln kam für die aus Osnabrück stammende Beckemper nicht in Frage. Das tun viele ihrer männlichen Kollegen, die aus den alten Bundesländern kommen. Und genau hier liegt eines der Probleme. Denn welche Professorin mit zwei Kindern hat einen Mann, der die Woche über die Kinder betreut? Umzug mit der ganzen Familie ist auch schwierig, schließlich hat der Mann einer Professorin meist selbst eine Arbeit, die er nicht unbedingt aufgeben will.
Doch auch der Weg zur Habilitation ist steinig, das hat Katharina Beckemper festgestellt: »Das ist eigentlich die Phase der Familiengründung, nämlich zwischen Anfang und Ende 30.« Wer sich nach der Promotion habilitiert - das ist Voraussetzung, um später als Professorin arbeiten zu können - hat nur eine befristete Stelle. Männer schieben die Familienplanung in dieser Lage oft einfach nach hinten - und werden mit 45 erstmals Vater. Bei Frauen geht das so nicht. Und dann entscheiden sie sich oft für die Familie - gegen die Karriere. Dabei sind wissenschaftliche Arbeit und Kinder rein zeitlich gut zu vereinbaren. So manche Frau ist auch nicht bereit, sich bis nach oben durchzukämpfen. Immer wieder ist von der »gläsernen Decke« die Rede, die für Frauen schwer zu durchbrechen sei.
Mit 28 die Jüngste
Dennoch wächst die Zahl der Professorinnen. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden ermittelte, lehrten und forschten im Jahre 2010 insgesamt 41 470 Professoren und Professorinnen an deutschen Hochschulen, die Zahl der Frauen in dieser Funktion erreichte mit 7906 einen neuen Höchststand und entspricht etwa 19 Prozent. Der Frauenanteil bei den Studenten liegt übrigens etwa bei 50 Prozent.
Unter den Fachbereichen gibt es dabei große Unterschiede. Am stärksten vertreten waren Professorinnen bei den Sprach- und Kulturwissenschaften und in der Kunstwissenschaft. Deutlich unterrepräsentiert sind sie bei den Ingenieurwissenschaften.
Dieser Trend spiegelt sich auch in der sächsischen Statistik wider. Gab es 2007 noch 344 Professorinnen, waren es 2010 schon 367 - bei insgesamt 2160 zu besetzenden Stellen. Das entspricht einem Anteil von 17 Prozent. Dass eine Frau den Weg nach oben sehr auch schnell erklimmen kann, zeigt das Beispiel von Rachel Rosenstock. Sie wurde im Jahre 2007 mit damals 28 Jahren die jüngste Professorin Sachsens. An der Westsächsischen Hochschule Zwickau lehrt sie Gebärdensprachlinguistik. Nach der Elternzeit ist sie an die Hochschule zurückgekehrt.
Die erste Professorin für Allgemeinmedizin in Sachsen ist Antje Bergmann - sie hat drei Kinder im Alter von sieben, acht und 15 Jahren. Im November 2010 hielt die 41-Jährige ihre Antrittsvorlesung am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in der sächsischen Landeshauptstadt. Die Professur für Allgemeinmedizin wurde neu geschaffen, um die Rolle des Hausarztes in der ambulanten Versorgung zu unterstreichen.
Eine Frage des Netzwerk?
»Als ich meine Habilitationsarbeit schrieb, musste ich mich auch um meine kleinen Kinder kümmern. Das war nicht immer einfach«, erzählt Antje Bergmann, deren Mann als selbstständiger Landschaftsarchitekt arbeitet. Sie erfuhr auf dem Weg zur ihrer Professur viel Zuspruch auch von ihrem Mentor: »Es ist nicht so, dass weibliche Professoren nicht gewollt sind. Aber für eine Frau ist es schwerer, alles unter einen Hut zu bekommen.« Etwas leichter wurde es dann für sie, »weil hier im Osten die Kinderbetreuungsmöglichkeiten besser sind und weil die Allgemeinmedizin anders als zum Beispiel die Chirurgie ein typisches Frauenfach ist«.
Für Antje Bergmann, die auch als niedergelassene Ärztin in einer Gemeinschaftspraxis arbeitet, ist es wichtig, ein Netzwerk von Frauen zu haben, die sich gegenseitig unterstützen. Dennoch: Je höher man kommt in der Hierarchie, desto weniger Frauen werden es. Andererseits kennt Bergmann etliche promovierte Frauen auf dem Weg zur Habilitation: »Da kommen einige nach.«
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