Berlusconi gerät in Atemnot

Italiens Premierminister verliert Mitstreiter um Mitstreiter

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 2 Min.
Italiens Premier Silvio Berlusconi will von einem Rücktritt trotz erodierender Unterstützung nichts wissen. In Rom forderten am Samstag zehntausende Menschen seinen Rücktritt.

Für Silvio Berlusconi wird die Luft immer dünner. »Silvio, hau ab!« und »Schande, Schande, Silvio tritt zurück«, riefen am Samstag die Demonstranten auf der Piazza San Giovanni in Rom. Noch gefährlicher für den Premier ist freilich, dass sich täglich mehr Abgeordnete von ihm abwenden - und wenn man den verschiedenen Gerüchten und Schätzungen Glauben schenken will, dann hat die italienische Regierung derzeit im Parlament keine Mehrheit. In den kommenden Tagen sollte es darüber Klarheit geben.

Der Letzte, der das sinkende Boot von Berlusconi verlassen hat, ist der Ministerpräsident der Lombardei, Roberto Formigoni. Der mächtige erzkatholische Politiker hat erklärt, Berlusconi sollte doch einen »Schritt zurück« treten und den Weg für eine breitere Koalition mit den Zentrumsparteien, dem so genannten »Dritten Pol«, frei machen. Als Regierungschef könne er sich in solch einem Falle Gianni Letta vorstellen, eine Art Kanzleramtsminister, seit eh und je rechte Hand von Berlusconi, aber doch mit einer einigermaßen weißen Weste. Berlusconi, der offensichtlich das Vertrauen der internationalen Institutionen und der Finanzmärkte verloren habe - so Formigoni - könne bei einem »freiwilligen Rücktritt« zumindest versuchen, selbst die Koalitionsverhandlungen zu führen und seinen momentanen Nachfolger zu bestimmen. Allerdings hat Berlusconi auch in diesen Stunden, in denen er versucht, seine Mehrheit wieder zu kitten, gleich mehrmals erklärt, er werde sein Amt auf keinen Fall abgeben und »weiter gegen die Verräter kämpfen«.

Dieser »Kampf« wird allerdings immer schwieriger, jetzt wo Italien de facto unter der Kuratel des Internationalen Währungsfonds und der EU steht: Beide Organisationen wollen Schritt für Schritt kontrollieren, ob Berlusconi seine vollmundigen Versprechungen in Bezug auf die Anti-Krisen-Maßnahmen auch einlöst, ob sich in dem Land endlich etwas tut oder die verschiedenen Komponenten der Regierungskoalition sich auch weiterhin gegenseitig blockieren. Bisher ist es Silvio Berlusconi immer wieder irgendwie gelungen, vor allem Europa an der Nase herumzuführen (wobei die Finanzorgane der EU das aber auch immer zugelassen haben!) - jetzt aber scheint das Maß tatsächlich voll. »Italien macht die schwerste Krise der Nachkriegszeit durch«, erklärt auch Staatspräsident Giorgio Napolitano, der versucht, eine Alternative zur Regierung auf die Beine zu stellen. Nur Berlusconi selbst sagt weiterhin, die Krise sei eine »Erfindung der Medien« …

Vielleicht wird der offizielle Schlussstrich unter die Berlusconi-Ära schon in dieser Woche gezogen, in der wichtige Abstimmungen im Parlament anstehen, falls Berlusconi wieder die Vertrauensfrage stellen sollte. Das Vertrauen der Italiener hat er längst verloren.

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