Selbstbedienung bei Emissionsrechten

Stahl-, Chemie- und Zementindustrie hortet Zertifikate für Hunderte Millionen Euro

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Handel mit Emissionsrechten für Treibhausgase sollte das zentrale Instrument der EU zum Klimaschutz sein. In Deutschland sollen damit 50 Prozent der Reduktionen erreicht werden. Doch eine am Dienstag in Berlin vorgestellte britischen Studie zeigt: Der ganze Handel wurde eine für das Klima nutzlose Subvention der Schwerindustrie.

Wir erinnern uns: Im Vorfeld der jetzt laufenden zweiten Periode für den europäischen Handel mit CO2-Emissionsrechten wurden insbesondere die Unternehmen der deutschen Grundstoffindustrie nicht müde zu beteuern, dass sie durch eine zu geringe Zuteilung (der immer noch unentgeltlichen) Verschmutzungszertifikate gegenüber der außereuropäischen Konkurrenz benachteiligt würden. Es sei zu befürchten, dass die Stahl-, Zement- und Chemieindustrie aus Europa verschwindet. Die damalige rot-schwarze Bundesregierung hatte ein offenes Ohr für die Wirtschaft und versah sie im Vergleich etwa zur Energiewirtschaft mit reichlich Emissionsrechten. Das Ergebnis hat die britische Umweltorganisation »Sandbag Climate Campaign« untersucht. Ihre Studie wurde am Dienstag in Berlin gemeinsam vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Germanwatch vorgestellt.

Das Resümee der Studie: Anstatt ihre Emissionen des Klimagases CO2 zu reduzieren, missbrauchten Teile der Industrie den Emissionshandel als profitable Einnahmequelle. Die zehn größten Profiteure des EU-Emissionshandels in Deutschland haben bisher insgesamt rund 60 Millionen überschüssige CO2-Zertifikate im Wert von geschätzten 800 Millionen Euro angehäuft. Dabei haben vor allem Stahlkonzerne zwischen 25 (ThyssenKrupp) und 52 Prozent (ArcelorMittal) mehr Verschmutzungsrechte, als sie für ihre Produktion benötigen. Ähnlich ist die Situation beim Zementhersteller Lhoist und dem Chemiekonzern BASF. Freifrau Wor᠆thington, Vorsitzende von »Sandbag«, ergänzt dazu auf Nachfrage, dass dieser Überschuss keineswegs auf CO2-Reduktionen der betroffenen Unternehmen zurückgehe, denn diese seien nur 2009 krisenbedingt kurz zurückgegangen.

Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender: »Der Emissionshandel in seiner jetzigen Form ist eine Gelddruckmaschine für die energieintensive Industrie.« BUND und Germanwatch forderten die Bundesregierung auf, in der 2013 beginnenden dritten Handelsperiode diesen Überschuss zu berücksichtigen und deutlich weniger Zertifikate zu verteilen. Andernfalls verliere Deutschland bei den weiteren Verhandlungen über ein Klimaschutzabkommen jede Glaubwürdigkeit. Jan Burck von Germanwatch forderte die Europäische Union auf, ihre Minderungsziele bis 2020 auf wenigstens 30 Prozent zu erhöhen. Andernfalls würde der Emissionshandel kaum noch eine Wirkung haben.

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