Papademos auf altem Kurs

Griechenlands Parlament debattiert über Regierungserklärung des neuen Ministerpräsidenten

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
In Griechenland ist am Dienstag die dreitägige Debatte über die Regierungserklärung des neuen griechischen Ministerpräsidenten Lucas Papademos fortgesetzt worden. Zugleich wurde bekannt, dass die griechische Wirtschaft im dritten Quartal weiter dramatisch geschrumpft ist.

Lucas Papademos, neuer griechischer Premier, hatte seine Erklärung am Montagabend vor dem Parlament in Athen abgegeben. Er habe die Regierungsverantwortung übernommen, damit Griechenland nicht Gefahr laufe, den Euro zu verlieren, erläuterte er. In seiner ersten Ansprache vor den Abgeordneten zeichnete der frisch gekürte Ministerpräsident die Grundlinien seiner künftigen Politik auf. Die Opfer der Bevölkerung dürften nicht umsonst gewesen sein, sagte Papademos, dafür müssten zwei Dinge wieder hergestellt werden: »Die Wahrheit darüber, wo wir stehen und wo wir hingelangen können. Und das Vertrauen in unsere Kraft, unsere Probleme bewältigen zu können.«

Weder mit solchen theatralischen Sätzen noch bei den programmatischen Zielen unterschied sich die Rede Papademos von zahlreichen seines Vorgängers Papandreou. Vorrangiges Ziel sei die Sicherung der Auszahlung der anstehenden Kreditrate, unabdingbar die buchstabengetreue Umsetzung der aus dem Gipfelbeschluss im Oktober zum Schuldenschnitt resultierenden Verpflichtungen, beteuerte der Premier. Und genau wie Papandreou verkaufte Papademos die bisherige Regierungspolitik als Erfolg. Dabei kamen am Dienstag von der Statistikbehörde erneut schlechte Nachrichten: Griechenlands Wirtschaft ist im dritten Quartal weiter dramatisch geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging von Juli bis September um 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal zurück.

Trotzdem verkündete Papademos »Erfolge«: Mit der bisherigen Politik sei es gelungen, das Defizit von 15,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2009 auf 10,6 Prozent 2010 zu drücken. Für Ende dieses Jahres erwarte man eine Reduzierung auf neun Prozent. Dass damit das ursprünglich angesetzte Ziel von 7,5 Prozent weit verfehlt wird, erwähnte Papademos mit keinem Wort. Die Wettbewerbsfähigkeit sei durch Senkungen der Lohnstückkosten und andere Faktoren bereits auf den Weg gebracht, so Papademos, der damit zusammenhängende Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 18,4 Prozent bereits im August war ihm keine Silbe wert.

Von einem Finanzfachmann hätten viele der unter den die Wirtschaft knebelnden Kürzungen leidenden Menschen in Griechenland anderes erwartet. Selbst ausgesprochene Gegner der ohne Wahlen an die Macht gebrachten Übergangsregierung hoffen darauf, Papademos könnte der richtige Mann sein, um in Brüssel und Washington beispielsweise für die Rücknahme der sozial ungerechten und ökonomisch fatalen Mehrwertsteuererhöhung zu werben.

Erste, noch vor der Antrittsrede erhobene Umfragen bescheinigen dem neuen Premier denn auch eine hohe Popularität. Zwischen 70 und 80 Prozent der Befragten halten die Ernennung von Papademos für eine richtige oder »wahrscheinlich richtige« Entscheidung. Gleichzeitig aber glaubt etwa die Hälfte nicht daran, dass es Papademos und der neuen Koalitionsregierung gelingen wird, das Land aus der Krise zu führen.

»Neue Regierung - gleiche Politik«, konstatierte der Gewerkschaftsdachverband im öffentlichen Dienst (ADEDY) auf einer Pressekonferenz am Montag. Unter der neuen Regierung werde eine bereits gescheiterte Politik fortgesetzt, »die sich nicht nur als ungerecht, sondern auch als vollkommen ineffizient herausgestellt hat«. Bereits mit den bisherigen Maßnahmen haben Griechenlands öffentliche Angestellte drastische Einbußen von bis zu 40 Prozent ihres im EU-weiten Vergleich recht niedrigen Einkommens hinnehmen müssen. Für die Kommunistische Partei Griechenlands handelt es sich um eine »dem Volk feindliche Regierung«. Die »Masken der bürgerlichen Parteien und des Kapitals« seien gefallen, erklärte Fraktionssprecher Thanassis Pafilis in der Parlamentsdebatte.

Im Parlament muss sich die neue Regierung voraussichtlich heute Mitternacht der Vertrauensfrage stellen. Rechnerisch kommen die Dreiparteienkoalition plus Unterstützer dabei auf 258 der 300 Sitze. Trotz einiger Abweichler auch aus Kreisen, die Papademos unterstützen, dürfte der neue Premier damit kaum durchfallen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -