Chevron-Öl verpestet Atlantik

US-Energieriese spielt Bohrunfall vor Brasiliens Küste weiter herunter

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 3 Min.
Brasiliens Regierung will sich vom US-Multi Chevron Corporation nicht weiter auf der Nase herumtanzen lassen. Zu Wochenbeginn hat die nationale Umweltbehörde IBAMA des südamerikanischen Landes darum durchgegriffen und den Energie-Riesen aus Kalifornien zur einer Umweltstrafe von 50 Millionen Reales (28 Millionen US-Dollar) verurteilt.

Die Geldstrafe wurde ausgesprochen, nachdem Anfang November aus dem Frade-Ölfeld vor der Atlantikküste des Bundesstaates Rio de Janeiro eine bisher noch unbekannte Menge an Rohöl ausgetreten war. »Wir werden nicht weiter abwarten, sondern das Geschehene und die Folgen mit höchster Strenge untersuchen«, erklärte Umweltminister Edison Laba. Kurz zuvor hatte er in einem persönlichen Gespräch mit Staatschefin Dilma Rousseff das weitere Vorgehen gegen den Ölmulti abgesprochen, der jährlich über 200 Milliarden US-Dollar umsetzt und für den weltweit über 62 000 Menschen auf der Lohnliste stehen.

Die Millionenstrafe hatte Brasiliens Staatsminister für Umweltfragen Carlos Minc auf einer Pressekonferenz am Montag bekannt gegeben. »Rio wird auch in Zukunft kein Ort für Straflosigkeit sein«, kündigte Minc die strikte Verfolgung von Umweltvergehen an. Die Verantwortlichkeit des Bohrunfalls wird allein bei Chevron gesehen, das einen seiner Firmensitze im brasilianischen Forta-leza hat. Der Unfall sei »vermeidbar« gewesen, das Unternehmen habe die Druckverhältnisse beim Tiefenbohren schlicht »unterschätzt«, beschuldigte Umweltfunktionär Minc die Ölfirma. Auch sei nach Entstehung des Lecks in 1200 Meter Tiefe deutlich geworden, dass es den Chevron-Technikern schlicht »nicht möglich war«, die Verschmutzung schnell zu stoppen.

Der Verdacht der Überforderung und Risikofreudigkeit in Sachen Tiefseebohren kommt nicht von irgendwoher. »Chevron hat in diesen Krisen keine Erfahrung«, wundert sich Fabio Scliar, Polizeichef vom Bundesstaat Rio de Janeiro. »Als meine Leute an Bord der Bohrinsel waren, erklärten die Ingenieure, dass sie mit dem Problem nicht umzugehen wüssten«, so der Beamte. Zusammen mit einer Expertengruppe soll er nun klären, inwieweit der Energieriese gegenüber Behörden falsche Angaben gemacht hat.

Am 9. November hatte Chevron das Leck der nationalen Erdölbehörde (ANP) gemeldet, einige Tage nach dem Unfall. Vier Tage später konnte das Leck gestopft werden. ANP rechnet mit dem Austritt einer durchschnittlichen Tagesmenge von 300 Barrel Rohöl. Anscheinend ist nur noch eine Stelle undicht. An einem von 28 Kontrollpunkten sei ein »kleiner Ausfluss« festgestellt worden, so ANP. Der Rest sei mittlerweile mit Zement zugeschüttet worden, beruhigte George Buck, Chef von Chevron Brasil, die Öffentlichkeit. Angesichts drohender Strafverfolgung und Überprüfung der Bohrlizenz wird der Unfall weiter heruntergespielt. Während laut Angaben des Konzerns insgesamt 2400 Barrel Rohöl ausgetreten sind, schätzt die Erdölbehörde die Menge auf 5000 bis 8000 Barrel, Greenpeace und Umweltschützer sprechen gar von bis zu 20 000 Barrel. Bei der Deep-Water-Horizon-Katastrophe im Golf von Mexiko belief sich der Ölaustritt pro Tag auf etwa 3000 Barrel.

Für Chevron ist die Angelegenheit nicht vom Tisch. ANP beschuldigt das Unternehmen, es habe zum Erhalt der Bohrlizenz »falsche Angaben« gemacht. Ein Notfallplan habe entgegen eigener Angaben nicht vorgelegen, die notwendige technische Ausrüstung habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls nicht in Brasilien befunden. Schwerer wiegt jedoch der Verdacht, Chevron habe tiefer gebohrt als vereinbart. Doch auch hier gibt es keine Einsicht bei den Ölsuchern, die für die Verpestung des Amazonas in Ecuador im Februar 2010 zu einer Strafe von 8,6 Milliarden Dollar verurteilt wurden. Das angebohrte Gestein, so Buck, sei einfach »zu weich« gewesen.

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