Akustische Artillerie

Das Menschenrechts- und Medienfestival »One World Berlin« findet zum 8. Mal statt

  • Kira Taszman
  • Lesedauer: 3 Min.

Über 200 Lieder hat der Musiker Christopher Cerf für die legendäre amerikanische Kindersendung »Sesamstraße« komponiert. Umso bestürzter war Cerf, als er erfuhr, dass die CIA seine Songs in Guantanamo auch zum Foltern eingesetzt hat. In ohrenbetäubender Lautstärke wurden sie Gefangenen stundenlang vorgespielt, um sie zu zermürben und zu Geständnissen zu zwingen.

Die Dokumentation »Musik als Waffe« von Tristan Chytroschek schildert diesen Missbrauch von Musik und ist nun im Rahmen von »One World Berlin« zu sehen. Zum achten Mal findet das Festival für Menschenrechte und Medien bereits statt und beschäftigt sich in 15 Programmen, die aus längeren, mittleren und kurzen Filmen bestehen, mit Menschenrechtsverletzungen weltweit und dem Einfluss der Medien auf unser Denken und Handeln.

In »Musik als Waffe« stellt der Komponist Cerf Recherchen an und unterhält sich auch mit Verhörspezialisten und einem US-Armee-Aussteiger. Sie erklären, wie Musik ab einer gewissen Dezibelanzahl zu einer gesundheitsschädigenden Waffe mutiert: Mit amerikanischer Populärmusik von Johnny Cash bis hin zu aggressiven Heavy-Metal-Klängen beschallte man in Guantanamo die Gefangenen. Zwar hinterlässt sie keine physischen Narben, doch macht die nervliche Belastung und eine vollkommene Desorientierung die Häftlinge zu hilflosen Werkzeugen ihrer Verhörer.

Dass Musik und Lärm bereits ab dem Korea-Krieg als Waffen herhielten und wie man heute mit akustischer Artillerie lästige Demonstranten in die Flucht schlägt - all dies erklärt diese etwas naiv aufgezogene, aber erhellende Doku.

Die Illusion eines »sauberen« Krieges wiederum schürte die US-Armee seit dem ersten Irak-Krieg in den frühen 1990er Jahren. Ferngesteuerte Waffen, die ihre Ziele auf Infrarot-Bildschirmen trafen, vertuschten die tatsächliche Verwüstung und das menschliche Leid in den Kampfgebieten. Leif Kaldors Dokumentation »Remote Control War« zeigt auf, welche oft beängstigenden Fortschritte diese ferngesteuerte Kriegstechnologie inzwischen gemacht hat. So genannte Drohnen, also unbemannte Luftfahrzeuge, können heutzutage mehrere tausend Meilen von ihrem Einsatzgebiet entfernt per Mausklick bedient werden und Leben vernichten.

Auch unbemannte Roboter und Panzerfahrzeuge, mit Infrarot- und Thermalvision ausgestattet, benutzt das Militär weltweit heute nicht nur zum Entschärfen von Minen oder zur Evakuierung Verletzter: Auch sie greifen heue aktiv in Kampfgeschehen ein. Welche Gefahren solch hochtechnisierte Maschinen bergen, wie sie sich menschlicher Kontrolle entziehen und die Zivilgesellschaft bedrohen könnten, das demonstriert diese spannende Dokumentation.

Weniger beängstigend, dafür aber auf eine unterhaltsame Art aufschlussreich präsentiert sich dagegen Astra Taylors Dokumentarfilm »Examined Life«, der das Festival am 24. 11. im Kino Arsenal eröffnet. Der Dokfilm macht die Lektüre eines modischen Autors wie Richard David Precht überflüssig, stellt er doch sehr kurzweilig acht zeitgenössische Philosophen und ihre Diskurse vor. Wessen Gedanken nicht einrosten wollen, der muss sich bewegen - so lautet das Credo dieses Films, der seine Helden als »Walking Heads« beim Formulieren ihrer Thesen begleitet: Sei es beim Laufen, Rolltreppe- oder Taxifahren. So äußert der Philosoph Slavoj Zizek seine Skepsis gegenüber der Ökologie als dogmatischer Ideologie vor einer Müllhalde. Die Philosophinnen Martha Nussbaum und Judith Butler geben den Umgang mit Menschen mit Behinderungen zu bedenken, während der Kosmopolit Kwame Anthony Appiah auf einem Flughafen, der »christliche Tschechowianer« Cornel West dagegen im Taxi interviewt wird. Die Verantwortung darüber, wie man Geld ausgibt, reflektiert der australische Philosoph Peter Singer schließlich folgerichtig auf der New Yorker Edel-Einkaufsmeile 5th Avenue.

24.-30. 11., Kinos Arsenal und Acud; www.oneworld-berlin.de

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