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Der Fluch der Kameraden

Die NPD und das Mördertrio: Schweriner Abgeordneter wegen Vertriebs eines Hetzliedes angezeigt

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Ihren relativen Erfolg im Osten verdankt die NPD der Öffnung zu den Nazi-Kameradschaften. Nun wird dieses Bündnis ein Problem für die rechtsextreme Partei. Laut Antifa soll ein NPD-Landtagsabgeordneter, der wegen Volksverhetzung angezeigt wurde, als Kameradschaftsführer auch Kontakte ins Milieu des »Thüringer Heimatschutzes« gehabt haben.

Wer wissen will, was Neonazis lustig finden, hat in Schwerin gerade einen Einblick bekommen: Wenn man zum Beispiel ein Anti-Nazi-Lied so nachsingt, dass ein kritisch gemeinter Song wie »Kanaken zerhacken« von Wolfgang Ambros auf einmal den gerade gegenteiligen Sinn annimmt. »Gigi und die braunen Stadtmusikanten« heißt die Band, die diesen »Coup« gelandet hat; es ist dieselbe Gruppe, die in dem Hetzlied »Döner-Killer« bereits 2010 von einem »Phantom« spricht - lange bevor der Zusammenhang zwischen der Mordserie und dem Heilbronner Polizistenmord, der nach Ermittlungspannen zeitweise einem »Phantom« zugeschrieben worden war, öffentlich bekannt sein konnte.

Weil über einen von diesem verantworteten Online-Vertrieb beide Lieder erhältlich waren, hat Jürgen Suhr, Grünen-Fraktionschef im Mecklenburger Landtag, nun den neugewählten NPD-Abgeordneten David Petereit wegen Volksverhetzung angezeigt. Der Jura-Student und Rechtsanwaltsfachangestellte Petereit hat die Anzeige wütend zurückgewiesen: Das Kanacken-Lied sei ja schließlich »gegen« Rechtsextremismus. Der Landtagsabgeordnete, dessen Parlamentseinzug die Grünen bei der Nachwahl auf Rügen mittels einer kleinen Volksfront noch zu verhindern versucht hatten, sieht sich als Opfer einer Kampagne.

Nicht nur im Nordosten ist die NPD derzeit damit beschäftigt, alles, was das Thüringer Mördertrio betrifft, möglichst weit von sich zu weisen, um dem möglicherweise anstehenden Verbotsverfahren keine Nahrung zu geben. In Nürnberg wurde gerade der stellvertretende Kreischef Reiner Biller aus der Partei geworfen, weil er in seinem Facebook-Profil Bilder aus dem Terror-Video gezeigt und auhämisch kommentiert hatte. Es war schon der zweite Fall im Online-Netzwerk: Peter Klose, der frühere NPD-Chef von Zwickau, hatte sich noch vor dem Auffliegen des Trios in seiner Stadt vorübergehend »Paul Panther« genannt.

Die bislang engste Verbindung zwischen NPD und dem »Nationalsozialistischen Untergrund« besteht offenbar in der Person Ralf Wohllebens, der bis 2007 in der NPD war, zeitweilig als Landesvize in Thüringen. Wie die drei Terroristen stammt er aus Jena und den Strukturen des »Heimatschutzes« und hat die drei vor deren Abtauchen gekannt. Er organisierte zwischen 2005 und 2009 das »Fest der Völker« mit, ein Politik- und Musikfestival der Thüringer Naziszene, aus der auch das Duo »Eichenlaub« stammt, das den Untergetauchten um 2000 öffentlich Grüße bestellte. In der Szene scheint es zumindest mancherorts ein diffuses Wissen gegeben zu haben.

Für die NPD wird nun die »Öffnung« zu den »Kameradschaften«, - wichtiger Pfeiler ihres relativen Erfolges im Osten - zum Problem. Und Petereit, früherer Anführer der »Mecklenburgischen Aktionsfront«, die in den Jahren von 2002 bis 2009 zwischen Neubrandenburg und Müritz agierte, ist nicht nur funktional eine Schnittmengen-Figur wie Wohlleben. Nach Einschätzung von antifaschistischen Beobachtern gab es zwischen Petereits »Aktionsfront« und den Thüringer Strukturen vielfältige Kontakte. Verbünde wie der »Heimatschutz« hätten beim Aufbau der »Aktionsfront« regelrecht als Vorbild gegolten.

David Petereit: wegen seines CD-Handels in der Kritik
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