Bilanz eines Prügelknaben
Nach fünf Jahren scheidet der umstrittene Bildungssenator in dieser Woche aus seinem Amt
»Es gäbe keinen Schulfrieden, wenn es den Druck gegeben hätte, irgendetwas zu ändern.« In seinem letzten Pressegespräch kommentierte der scheidende Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) überraschend zahm die von Rot-Schwarz geplante Bildungspolitik. Jahrgangsübergreifendes Lernen (JüL), die Abschaffung der Haupt- zugunsten der Sekundarschule bei gleichzeitiger Beibehaltung des Gymnasialbetriebs: Sein Erbe sieht Zöllner in den Grundfesten gesichert. »Da kann ich nicht alles falsch gemacht haben«, sagte Zöllner gestern.
Obgleich er sein Amt nur noch bis Mittwoch inne hat, ließ Zöllner es sich nicht nehmen, Perspektiven der Berliner Bildungspolitik auszuloten. Und Baustellen gibt es auch nach seiner Amtszeit genug. »Eine große Herausforderung ist die Sekundarschule«, so Zöllner. Einerseits gehe es weiter um die bessere Zugänglichkeit von Bildung auch für so genannte bildungsferne Schichten. Aber auch »diejenigen, die besonders begabt sind«, seien zu fördern. Wegen der fehlenden Breite der Sekundarschulen müssten sich hier die Gymnasien profilieren. Bei den vielen lauten Debatten um die Schulform dürften die vorschulischen Bildungseinrichtungen nicht aus dem Blick geraten.
In Sachen Hochschulpolitik müsse eine bessere Arbeitsteilung her. Konkret stellt sich Zöllner eine engere Kooperationen zwischen Fachhochschulen und Universitäten vor. Letztere müssten in Berlin den Mut haben, unterschiedliche Schwerpunkte setzen: »Die Andersartigkeit muss gelebt werden.« Vorstellbar ist für Zöllner auch, den Master-Abschluss an den Universitäten und den Bachelor an Fachhochschulen auszubauen.
»Neben Breitenförderung muss es auch um Spitzenförderung gehen«, sagte Zöllner. Transparenz sei dabei ein Schlüsselbegriff und die Wissenschaft selbst dazu aufgerufen, die Rahmenbedingungen zu schaffen. »Das gilt auch für das Qualitätspaket, das ich vor einem Jahr auf den Weg brachte«, schlug Zöllner den Bogen zum Stil der Debatte um die Berliner Bildungspolitik, in der sich Kritiker allzu oft auf seine Person eingeschossen hatten. »Natürlich hat es etwas mit mir zu tun, wenn zum Anfang des Schuljahres nicht genug Lehrer da sind«, räumte er ein. Verantwortlich seien aber genauso die Schulaufsicht und anderer Institutionen.
Um das Finanzierungsproblem beneide er seinen Nachfolger nicht, betonte Zöllner. »Man muss den Mut haben, unterschiedlich zu gewichten - und das wird schwieriger, wenn die Ressourcen knapper werden«, gibt Zöllner zu bedenken. Insbesondere die vergleichsweise niedrige Bezahlung in seiner Behörde erschwere aber die Arbeit. In den vergangenen Wochen war ein Zitat des scheidenden Senators durch die Medien gewandert: Zöllner hatte darin bemängelt, dass es schwer sei, qualifiziertes Personal zu finden, da ein Staatssekretär in Berlin kaum mehr verdiene als ein Abteilungsleiter in einem anderen Bundesland. »Die Bezahlung ist auf allen Ebenen ein Problem«, so Zöllner.
Zukünftig gelte es, den zunehmende Bedarf an Hochqualifizierten, sowie die wachsende Zahl ausländischer Studierender zu bewältigen. Das gehe nicht zu den selben Rahmenbedingungen, zu denen man wissenschaftliche Spitzenleistung fördere, so Zöllner - ein Seitenhieb gegen die von SPD und CDU beschlossene Trennung von Wissenschaft und Forschung.
Trotz der chronischen Unterfinanzierung der Universitäten rückt der scheidende Senator von seinem Credo der Gebührenfreiheit nicht ab. »Das ist machbar«, urteilte Zöllner schlicht. »Mit den Herausforderungen wächst auch die Kreativität bei der Lösungssuche«, so Zöllner.
Seit 2006 ist Jürgen Zöllner im Amt und hat in dieser Zeit - wie er selbst sagt - »viel Prügel« einstecken müssen. Dabei hat er trotz des Gegenwinds einiges erreicht. Punkten konnte er damit indes kaum. Am Donnerstag wird Zöllners Nachfolgerin Dagmar Ziegler (SPD) vereidigt werden.
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