Einzelfall oder Erfolgsmodell

Das Buch über den Arbeitskampf der Kaisers-Kassiererin Emmely fragt, was daraus zu lernen ist

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Arbeitsplatz verteidigt - wie war das möglich? Das Solidaritätskomitee zur Unterstützung von Emmely, Anwälte und Gewerkschafter fassen die Erfahrungen des erfolgreichen Arbeitskampfes der Kassiererin aus Berlin zusammen. Das könnte anderen Fällen Motivation und Hilfe sein.

Der Fall der unter dem Namen Emmely bekannt gewordenen Berliner Supermarktkassiererin sorgte bundesweit für Aufsehen. Sie war nach über 30 Jahren von Kaiser’s entlassen worden, weil sie zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro nicht korrekt abgerechnet haben soll. Die Gewerkschafterin hat den Vorwurf immer bestritten und ihre Entlassung mit ihrem Engagement in einem Einzelhandelsstreik in Zusammenhang gebracht. Das sah auch ein Solidaritätskomitee so, das ab Sommer 2008 dafür sorgte, dass der Fall Emmely die Republik bewegte. Die Kassiererin wurde in Talkshows eingeladen und im Bundestag über die Legitimität von Verdachts- und Bagatellkündigungen gesprochen.

Die Auseinandersetzung ging gut aus. Nachdem die Kündigung gegen Emmely von zwei Instanzen bestätigt wurde, bekam sie im Juni 2010 schließlich vom Bundesarbeitsgericht recht. Nun hat das Komitee »Solidarität mit Emmely« ein Buch herausgegeben, in dem sich Aktivisten, Juristen und Gewerkschafter in Kurzbeiträgen der Frage widmen, warum sich die Kassiererin durchsetzen konnte und ob der Erfolg in anderen Fällen wiederholbar ist.

Neben dem Mut der Betroffenen sieht Gregor Zattler das Engagement ihres Rechtsanwalts sowie die politischen und ökonomischen Bedingungen als Gründe für den Erfolg an. Durch die ausbrechende Finanz- und Wirtschaftskrise wurde vermehrt über das Thema Gerechtigkeit diskutiert. Dabei sei immer wieder angesprochen worden, dass Vorstandsvorsitzende großer Konzerne hohe Abfindungen erhielten, auch wenn ihnen die Verantwortung für Millionenverluste nachgewiesen wurde. Da sei es als schreiende Ungerechtigkeit empfunden worden, dass einer Kassiererin wegen 1,30 Euro gekündigt wurde.

Verschiedene Beiträge gehen auf den Einzelhandelsstreik im Jahr 2007 ein, bei dem ver.di mit Gruppen der außerparlamentarischen Linken zusammengearbeitet hatte, die zur Unterstützung des Ausstandes Filialen blockierten. Der Umgang mit der Kündigung von Emmely war sehr verschieden. In mehreren Kapiteln wird der defensive Gewerkschaftskurs heftig kritisiert. Denn während ver.di auf einen Vergleich mit Kaiser’s drängte und auf Öffentlichkeit verzichtete, ging das Solidaritätskomitee den entgegengesetzten Weg. Es schlug Alarm. So wurde die Geschichte bundesweit bekannt.

Der Gewerkschafter Anton Kobel spart in seinem Beitrag über den Einzelhandel in Deutschland nicht mit Kritik. Auf die Herausbildung eines tariffreien Niedriglohnsektors in dieser Branche habe die Gewerkschaft bis heute keine Antwort. Auch der Kampf gegen die Begrenzung der Ladenöffnungszeiten sei verloren gegangen. Als Ironie der Geschichte bezeichnet es Kobel, dass mit Mecklenburg-Vorpommern und Berlin zwei Regierungen unter Beteiligung der PDS bzw. Linkspartei Pioniere bei der Öffnung der Läden am Sonntag waren.

Die Soziologin Ingrid Artus würdigt in ihrem Beitrag die Bedeutung der »Emmelys dieser Welt«. Die Berliner Supermarktkassiererin sei in einer Zeit, in der Solidarität ein Fremdwort geworden sei, zum Symbol geworden, dass Widerstand möglich ist und auch erfolgreich sein kann. Das Buch kann helfen, diese Erfahrungen weiterzugeben.

Komitee Solidarität mit Emmely (Hrsg.): Gestreikt. Gekündigt. Gekämpft. Gewonnen. Die Erfahrungen der »Emmely«-Kampagne, AG Spak, 140 Seiten, 9,50 Euro.

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