Braune Umtriebe im Zwickauer Fußball

Beim Fußball-Oberligisten FSV will plötzlich niemand mehr rechtsradikale Parolen von eigenen Fans oder Spielern gehört haben

  • Detlef Uhlig
  • Lesedauer: 3 Min.
Klare Ansagen: Zwickau-Fans im Landespokal 2010
Klare Ansagen: Zwickau-Fans im Landespokal 2010

Die Diskussion um rechtsradikale Fanparolen beim Spiel des Oberligisten FSV Zwickau gegen die Mannschaft von Erzgebirge Aue II nimmt immer absurdere Formen an. Grund dafür ist auch die Informationspolitik der Beteiligten. Der anfänglich großen Empörung seitens des Zwickauer Vereins folgt nun ein Rückzieher nach dem anderen.

In einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme distanziert sich der Vorstand des FSV Zwickau de facto von seiner eigenen Erklärung zu den Fangesängen, welche der Verein erst wenige Tage zuvor abgegeben hatte: »Die seitens einiger Medien verbreitete Darstellung zum Verhalten unserer Fans […] beruht offensichtlich auf gezielt überzogenen und nicht zutreffenden Informationen«, heißt es auf der Vereinsseite.

Damit nimmt der Vorstand des Oberligisten eben jene Aussagen zurück, die noch immer auf der Webseite nachzulesen sind. Darin sprach der Verein von »Entrüstung und Besorgnis« aufgrund von »verbalen Entgleisungen faschistischer Gesinnung« seitens einiger Zuschauer beim Spiel des FSV gegen die zweite Mannschaft von Erzgebirge Aue. Ist nun Entrüstung angesagt oder doch alles nur überzogen?

Mehrere Zeugen wollen während der Partie rechtsextreme Parolen aus einem Zwickauer Fanblock gehört haben, darunter antisemitische Sprechchöre wie »Wismut Aue Jude Jude Jude« oder »Eine U-Bahn, eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir, von Aue bis nach Auschwitz, eine U-Bahn bauen wir«. In Anspielung auf die bekannte Terrorzelle »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) sollen einige Zuschauer zudem die Parole »Terrorzelle Zwickau - olé, olé, olé!« skandiert haben. Nachdem die Vorwürfe bekannt wurden, hatte der Verein zunächst angekündigt, die »Brandstifter ausfindig zu machen, um entsprechende Strafanzeigen« gegen diese zu stellen.

Allerdings scheint der Aufklärungswillen der Beteiligten erheblich ins Stocken gekommen zu sein. Das mag auch daran liegen, dass selbst in den Reihen der Mannschaft verbale Entgleisungen vermuten werden müssen. In einem mittlerweile von der Internetseite des FSV Zwickau gelöschten Video hört man die Mannschaft »Sieg« brüllen, woraufhin eine einzelne Person mit »Heil« antwortet. Ob es sich bei dieser Person um einen Spieler der Mannschaft handelt, ist nicht eindeutig geklärt.

Laut Informationen der »Freien Presse« hatte sich zunächst ein Spieler nach Aussagen von FSV-Präsident Gerhard Neef der Mannschaft gestellt. Mittlerweile will Neef aber nichts mehr von dieser internen »Selbstanzeige« wissen. Zwickaus Trainer Nico Quade erklärte indes am Donnerstag in einem Interview, er wisse ebenfalls nicht, wer die in Deutschland strafbare Parole »Sieg Heil« verwendet habe.

Unterdessen häufen sich die Wortmeldungen von Anhängern des Vereins, welche nicht kollektiv in eine neonazistische Ecke gestellt werden wollen. Auch »nd« liegen Leserbriefe vor, in welchen sich Fans klar von rechtsextremen Einstellungen distanzieren und gleichzeitig erklären, von besagten Parolen nichts mitbekommen zu haben. Ähnlich äußert sich auch der FSV Zwickau. »Verfassungsfeindliche Gesänge wurden weder von den Offiziellen, Spielbeobachtern, Polizei und Sicherheitsorganen wahrgenommen«, so der Vorstand. Nichts gehört und deshalb nicht stattgefunden? Staatsanwaltschaft und Staatsschutz haben trotzdem Ermittlungen aufgenommen.

Verwirrung herrscht bezüglich der Zeugen, welche die Vorfälle mitbekommen haben wollen. Ein Mitarbeiter eines Zwickauer Fanprojektes hatte zunächst gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) erklärt, selbst einige der rechtsradikalen Parolen gehört zu haben und weitere Zeugen für die Vorfälle im Sojus-Stadion zu kennen. Auf schriftliche Anfrage des »nd« erklärte der Verein allerdings, sich vorerst nicht mehr äußern zu wollen und stattdessen Gespräche mit »allen am Fußballgeschehen beteiligten Institutionen« anzustreben. Auf telefonische Nachfrage hin sagte der betreffende Mitarbeiter aber, weiterhin zu seinen gegenüber dem MDR getätigten Aussagen zu stehen.

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