»Afghanistan wird an die USA verkauft«

Friedenskräfte: Menschen- und Bürgerrechte fehlen auf der Tagesordnung

  • Antje Stiebitz
  • Lesedauer: 3 Min.
Aus Sicht der deutschen und der afghanischen Friedensbewegung kommen bei der Bonner »Petersberg-II-Konferenz« zu wenige zivile Stimmen zu Wort. Die LINKE-Bundestagsfraktion lud anlässlich der heute beginnenden Konferenz zwei prominente afghanische Kritiker der Karsai-Regierung und des NATO-Krieges nach Berlin, um ihre Meinung zu hören.

Die Berichte der bekannten afghanischen Frauenrechtlerin Malalai Joya und des Sprechers der afghanischen Solidaritätspartei, Said Mahmood Paiz, zeugen von großer Ernüchterung. »Die afghanische Bevölkerung wird auf der Petersberg-II-Konferenz nicht gehört«, erklärte Malalai Joya bei einem Pressegespräch. Das Treffen diene nur der Legitimation des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai. Auch Said Mahmood Paiz ist davon überzeugt, »dass sich dort nur Kriminelle mit ihren westlichen Unterstützern versammeln«. Den Afghanen biete diese Konferenz keine Hoffnung.

Die beiden wünschen sich eine Tagesordnung, auf der Menschen- und Frauenrechte stehen und die zur Diskussion stellt, dass Afghanistan der größte Opiumproduzent der Welt ist. Doch das sei nicht das Ziel dieser Konferenz. Stattdessen werde Afghanistan an die US-Amerikaner verkauft. Wut und Unverständnis löst auch die Bereitschaft zu Verhandlungen mit Taliban und Warlords aus. Das sei »eine ungünstige Koalition«, und es sei besser, sich mit demokratischen Kräften zu verbünden.

Malalai Joya unterrichtete als Aktivistin im Untergrund mehrere Jahre Mädchen. Sie gründete ein Waisen- und Krankenhaus. Die Solidaritätspartei, bestehend vor allem aus Bauern, aber auch Intellektuellen, organisiert Alphabetisierungskurse. Joya und Paiz kennen die Sorgen der »kleinen Leute« nur zu gut. Die Anwesenheit der ISAF-Truppen in den vergangenen Jahren habe nichts an der dramatischen Situation geändert. »Der weiblichen Bevölkerung geht es schlecht«, berichtet Malalai Joya, »in den Provinzen ist die Lage der Frauen dieselbe wie zu Taliban-Zeiten.« Die Grundbedürfnisse der Menschen seien nicht gedeckt und das Geld verschwinde in den Taschen der Karsai-Regierung, ergänzt Said Mahmood Paiz.

Für Aktivisten und Oppositionelle ist die Lage schwierig. Sie werden in den Untergrund gedrängt oder riskieren ihr Leben. Malalai Joya hat das bereits am eigenen Leib erfahren - sie entging mehreren Anschlägen und ist Morddrohungen ausgesetzt. Die Solidaritätspartei organisiert immer wieder Demonstrationen und ist auch gegen die kürzlich veranstaltete Loja Dschirga auf die Straße gegangen, erzählt Said Mahmood Paiz. Um sich dagegen auszusprechen, dass Afghanistan an die USA verkauft wird. Als Vorbild diente der Widerstand in den arabischen Ländern. »Wir brauchen die Solidarität der Menschen, müssen Netzwerke aufbauen und politisches Bewusstsein schaffen.« Er ist davon überzeugt, dass die Forderung nach Demokratie und Unabhängigkeit den Zuspruch der afghanischen Bevölkerung findet. Das viel beschworene Vakuum beim Abzug der ISAF/NATO-Truppen sieht Malalai Joya nicht: »Der Bürgerkrieg, der befürchtet wird, wenn die Alliierten abziehen, kann nicht schlimmer sein als das, was wir jetzt haben.«

Für die entwicklungspolitische Sprecherin der LINKE-Fraktion im Bundestag, Heike Hänsel, kommt eine Verlängerung des ISAF-Mandats nicht in Frage. Sie fordert einen sofortigen und vollständigen Abzug der Truppen. Einzig die finanzielle Hilfe von jährlich 430 Millionen Euro müsse bestehen bleiben. Dabei schwebt ihr eine Unterstützung auf Graswurzelebene vor, in Zusammenarbeit mit regierungsunabhängigen afghanischen Organisationen.

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