Getanzte Bildung
Staatsballett und Zeitbild-Verlag entwickelten Lehrmaterial für Tanz an Schulen
Tanzprojekte in Schulen gibt es viele. Gerade in Berlin. Die Initiative »TanzZeit« etwa bringt seit sechs Jahren Choreographen und Tänzer der freien Szene an die Schulen, die dort regelmäßig zeitgenössischen Tanz unterrichten. »Tanz ist klasse«, eine vom Staatsballett Berlin getragene und aus dem Erbe des früheren Ballettdirektors Gert Reinholm grundfinanzierte Initiative, unternimmt dies seit vier Jahren mit dem klassischen Tanz. Ungefähr die Hälfte aller 800 Berliner Schulen ist nach Veranstalterangaben bislang in den Genuss dieser Projekte gekommen. Die speisten sich vor allem aus den Engagement der beteiligten Künstler und Pädagogen. Jetzt hat »Tanz ist klasse« gemeinsam mit dem Zeitbild-Verlag erstmals Unterrichtsmaterial für Tanz an Schulen entwickelt.
Die Arbeitsmappen für Grundschule und weiterführende Schule wurden von Christiane Theobald, Leiterin des Education Programm des Staatsballetts, und dem Geschäftsführer des Zeitbild Verlags, Frank J. Richter, vorgestellt. Sie bestehen aus je 16 Arbeitsblättern und einer DVD. Die Themen umfassen die Geschichte von Tanz und Ballett, den Umgang mit Sprache und Musik, Aufzeichnungs- und Notationssysteme sowie Anleitungen zum Tanz selbst und begleitenden Tätigkeiten wie Bühnenbau und Kostümfertigung. Das Faszinierende an den Arbeitsblättern ist, dass sie in unterschiedlichen Unterrichtsfächern eingesetzt werden können. Für den Mathematikunterricht etwa ist die Analyse von Spiegelbewegungen einzelner Tänzer gedacht. Als Anregung für den Sportunterricht werden einzelne Sprünge vorgestellt. Im Geschichtsunterricht können Aspekte aus der Ballettentwicklung seit dem Barock, aber auch Informationen zu Tänzen und Bewegungsritualen in früheren Zeiten benutzt werden. Ausführlich, bis hin in dramaturgische Untersuchungen und Bühnenbildarbeiten, werden die Ballette »Der Nussknacker« und »Schneewittchen« untersucht. Auch ein Merkblatt, was beim Besuch einer Ballettaufführung alles zu beachten ist, und eine Vorstellung des Tänzerberufs sind beigelegt
Auf den DVDs sind einzelne Bewegungsetüden von Profitänzern, aber auch von Schülern, die an bisherigen Projekten teilgenommen haben, zu sehen. Die Sequenzen sind aus verschiedenen Positionen gefilmt und werden auch in Zeitlupe präsentiert. Dies sind optimale Bedingungen fürs Üben durch Nachahmen. »Tanz ist klasse« biete aber auch Einführungsworkshops für interessierte Lehrer an, versicherte Theobald. Zeitbild-Geschäftsführer Richter machte darauf aufmerksam, dass Arbeitsblätter und DVD sowohl als kompletter Kurs unterrichtet, aber auch modulartig und punktuell eingesetzt werden können. Er versprach: »Ab nächster Woche werden wie die Materialien in unserem Partnernetzwerk verteilen.«
Dazu gehören ca. 900 Schulen in Berlin und Brandenburg, wo das Projekt zunächst gestartet wird. »Wir können uns aber vorstellen, dass Lehrer im gesamten Bundesgebiet und auch in Österreich und der Schweiz daran interessiert sind«, schlug Theobald einen noch größeren Bogen. Zumindest im deutschsprachigen Kulturraum ist diese Projekt einzigartig. Gegen eine Schutzgebühr von 10 Euro können auch Schulen, die nicht zu dem ersten Vertriebskreis gehören, die Materialien erhalten. Als Effekt für die Schüler erhoffen sich Theobald und Richter nicht nur vertiefte Kenntnisse über das Ballett und gestiegenes Interesse, selbst einmal eine Aufführung zu besuchen. Auch die Lernprozesse sollen damit gefördert werden. »Erkenntnisse der Hirnforschung besagen, dass erfolgreiche Wissensvermittlung vor allem über Emotion und Bewegung abläuft. Tanz ist daher eine Paradedisziplin der kulturellen Bildung«, meinte Richter.
Einziger Wermutstropfen war nur, dass am Rande der Veranstaltung deutlich wurde, dass das Staatsballett, das auf der einen Seite echten Pioniergeist in Sachen kultureller Bildung beweist, auf der anderen Seite die Basisarbeit schleifen lässt. Derzeit sind keine Produktionen im Repertoire, an denen die Schüler der Staatlichen Ballettschule teilnehmen können. »Es ist ein Skandal, wenn diese Möglichkeit zwei Jahre lang ausfällt. Die Kinder sind nur einmal in der siebten Klasse. Und sie sollten die Erfahrung machen, auf der großen Bühne zu stehen«, kritisierte Kirsten Seeligmüller vom Dock 11.
Es scheint dringend geboten, die schönen Pflanzen der kulturellen Bildung, die in den letzten Jahren gesetzt wurden, in ein koordiniertes Programm zu überführen, um zu verhindern, dass gute Impulse aus Unachtsamkeit von den gleichen Institutionen torpediert werden. Die Pionier- und Patchworkphase sollte in die Ära eines differenzierten Gesamtkonzepts übergehen. Die neuen Arbeitsblätter könnten ein erster Schritt einer solchen Konsolidierung und Harmonisierung sein.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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