Die Vergangenheit ist längst nicht vorbei
Tagung beleuchtete die Rolle Ferdinand Porsches im Dritten Reich und die anhaltende Verehrung des Wehrwirtschaftsführers
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) sowie das Wolfsburger Zentrum für demokratische Bildung luden am vergangenen Sonnabend zu einer Tagung in die VW-Stadt, die der Frage nachging, ob »Ferdinand Porsche genialer Techniker oder Kriegsverbrecher« gewesen sei. Einleitend wurde hervorgehoben, dass es in der aktuellen Auseinandersetzung mit dem Neofaschismus nicht nur eklatantes Staatsversagen, sondern - schlimmer noch - eine verdeckte Kumpanei zwischen Teilen des Staatsapparates und neonazistischen Terroristen gibt. Das ist von Bedeutung, weil die Justiz bereits in den späten 1940er Jahren bei der Entnazifizierung versagt hat. Die Blindheit auf dem rechten Auge hat eine schreckliche Kontinuität. Vor wenigen Wochen wurde durch den niedersächsischen Ministerpräsidenten McAllister in Argentinien ein »Ferdinand-Porsche-Institut« zur Ausbildung von Ingenieuren eingeweiht. In Wolfsburg wurde der dortige Wohnsitz Porsches während des Werksbaues und Kriegsproduktion von 1938 bis 1945, die sogenannte »Porsche-Hütte«, von der Stadt an Volkswagen verkauft. Die Erben des SS-Offiziers und Wehrwirtschaftsführers wollen dort »das Andenken an den Großvater« museal aufbereiten. Im Rathaus der Stadt sollte vor wenigen Monaten ein Sitzungssaal nach Ferdinand Porsche benannt werden - nur am Veto des Rats- und Landtagsmitgliedes der LINKEN, Pia Zimmermann, ist dieses Vorhaben gescheitert.
Die Initiatoren der ersten öffentlichen und keineswegs folgenlosen Diskussion um die Porsche-Verklärung vor fast 25 Jahren berichteten über ihre damaligen Erfahrungen: der Pastor Hartwig Hohnsbein, die damalige Ratsfrau der Grünen Betty Rannenberg und Mechthild Hartung für die VVN-BdA, Pia Zimmermann von der Linkspartei berichtete von der Angst in der Stadtpolitik, sich kritisch mit der Person Ferdinand Porsche auseinanderzusetzen.
Der Journalist und Autor Otto Köhler referierte über die Rolle von Porsche in der Zeit des Faschismus und die Bearbeitung dieses Komplexes durch den Historiker Hans Mommsen im Auftrag von VW. Dazu benötigte die Forschergruppe etwa zehn Jahre. Schließlich kam man 1996 zu dem Ergebnis, dass Porsche kein Verbrecher gewesen und eine Entschädigung der Zwangsarbeiter nicht möglich sei. Dabei war bekannt, dass der 1939 zum Wehrwirtschaftsführer ernannte Porsche als Vorsitzender der Panzerkommission und Rüstungsrat tief in die nationalsozialistischen Verbrechen verstrickt war. So gab er persönlich Anweisungen zur »Beschaffung« von KZ-Häftlingen und sowjetischen Kriegsgefangenen. Schließlich gab es doch noch eine Entschädigung der noch lebenden ehemaligen Zwangsarbeiter, aber nur aufgrund des öffentlichen Drucks. Seitdem ist es um den 1951 verstorbenen Porsche wieder still geworden.
Mechthild Hartung wurde von Pia Zimmermann in der Forderung unterstützt, keine Straßen und öffentlichen Einrichtungen mehr nach Porsche und anderen Naziverbrechern zu benennen. Im Gegensatz zu den 90er Jahren, als ein solcher Antrag an der CDU-Mehrheit im Stadtrat scheiterte, gibt es heute eine rot-grüne Mehrheit im Rat. Die Abwesenheit von Politikern der Grünen und der SPD bei der Veranstaltung macht aber deutlich, dass Druck aus der Öffentlichkeit erzeugt werden muss, um die Porsche-Verehrung in Wolfsburg zu beenden und zu verhindern, dass die Person und die Rolle von Porsche weiter verklärt werden.
In einer kleinen Kunstausstellung hing ein Transparent, das seit vielen Jahren am 8. Mai in der Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus in Wolfsburg getragen wird: »Ihr sollt die Ermordeten nicht und nicht die Mörder vergessen«.
Die jüngst bekannt gewordene Tatsache, dass der langjährige VW-Betriebsratsvorsitzende und Wolfsburger Oberbürgermeister, Hugo Bork, Mitglied der NSDAP war, wirft eine Reihe weiterer Fragen auf, die einer Klärung bedürfen. Die Veranstalter der Tagung haben sich vorgenommen, die erforderliche Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit dafür zu leisten.
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