Tritt mit dem Stiefel
Mit einem Weihnachtskalender erinnert die GEW vor dem Bildungssenat an die Mängel in Schulen
Vis-à-vis der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Forschung nahe des Alexanderplatzes sieht es nicht besonders weihnachtlich aus. Vor einer großen Baustelle steht ein schiefer Bauzaun. An den Holzlatten: ein ungewöhnlicher Adventskalender. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin bestückt dort noch bis zum Weihnachtsabend täglich eine der 24 Freiflächen.
Erfreuliches ist allerdings nicht zu lesen. Im Gegenteil. Neben Wünschen und Forderungen dominiert die Kritik an der Berliner Bildungspolitik. »Die Botschaften sind an die neue Bildungssenatorin Sandra Scheeres adressiert«, erklärte die GEW Berlin. Jeden Tag ist die SPD-Politikerin nun mit dem Unmut ihrer Kolleginnen und Kollegen aus den Berliner Schulen konfrontiert - denn die haben die Plakate gemalt. »Die Beschäftigten artikulieren Forderungen und Wünsche und tun das nicht zum ersten Mal«, so die Gewerkschaft. »Sie wollen gehört und ernst genommen werden.«
Dass dies nicht die Regel zu sein scheint, zeigt bereits das erste Plakat. Und das hat es in sich. Zu sehen ist der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. Er sagt: »Was kümmert uns heute unser blödes Geschwätz von gestern?« Darunter steht: »Wer im Bildungsbereich kürzt, ist ein Wahlbetrüger.« Fast jedes der Plakate hat den Personalmangel zum Thema. »Besonders schick sind die Stiefelbilder«, sagte die Vorsitzende des GEW Berlin, Sigrid Baumgardt. Das Plakat, auf dem das erste Teilwort von Bildung im Bild-Zeitungs-Layout gemalt wurde, gefällt ihr gut. Darauf werden Lehrermangel, zu große Klassen, Arbeitsüberlastung und ungleiche Bezahlung bemängelt. Es gibt aber auch rabiatere Bilder mit Stiefel: Auf einem kickt ein Weihnachtsstiefel das Rote Rathaus. »Schnauze voll!« steht darüber.
Auf dem Plakat zum 5. Dezember ist ein Stück Käse zu sehen - sinnbildlich für mangelnde Lehrkräfte. »Berliner Käse - oder die löchrige Personalausstattung an den Berliner Schulen - 100 Prozent reichen uns nicht!« steht darauf geschrieben. Entstanden war das Plakat an der Gotzkowsky Grundschule in Moabit. Auf einem anderen steht ein alter Mann mit Gehhilfe vor der Schultafel. Darauf die Nachricht: »Wir sind dann mal weg! U 40« Seit Jahren steigt der Altersdurchschnitt der Berliner Lehrerinnen und Lehrer.
Seit sie nicht mehr verbeamtet werden, gehen immer mehr Junge in die umliegenden Bundesländer, wo sie besser bezahlt werden. Trotz Meinungsverschiedenheiten hielt die rot-schwarze Koalition am Status quo fest. Die GEW fordert, angestellten Lehrkräften zumindest eine Kompensation zu zahlen, um sie zu halten. Um das Alter geht es auch auf dem zwölften Plakat. Nur ein Wort steht darauf: Altersermäßigung.
Kritisiert wird auch die Situation an den Kitas. In Berlin fehlen Tausende Kita-Plätze, der Bedarf aber steigt kontinuierlich. Bildungssenatorin Scheeres geht davon aus, dass im Jahr 2015 rund 23 000 Plätze fehlen werden.
Die Gemeinschaftsschule Grüner Campus Malchow wünscht sich eine bessere finanzielle Grundlage für die Inklusion und ausreichend Personal für Schwerpunktschüler. »Alle Bildungseinrichtungen, auch die Kitas, brauchen eine verlässliche Ausstattung, um inklusiv mit aller Vielfalt werden zu können«, erklärte Sigrid Baumgardt.
Die Berliner Lehrerinnen und Lehrer fordern eine bessere finanzielle Ausstattung der Schulen: Hortangebote für alle Grundschulkinder ohne Bedarfsprüfung, intensivere Förderung und Betreuung für bedürftige Schülerinnen und Schüler, weniger Bürokratie für Kinder, die Zuschüsse bekommen sollen, und vieles mehr,
In den Fenstern des Weihnachtskalenders stehen auch scheinbar banale Wünsche - so zum Beispiel der nach einem eigenen Arbeitstisch für jede Lehrkraft. »Die ganz simplen Sachen, die Arbeitsbedingungen in den Schulen, sind wichtig«, unterstreicht Sigrid Baumgardt.
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