Gemeinde »Neue Hoffnung«

nd-Solidaritätsaktion: Der Goldbergbau spaltet die indigenen Gemeinschaften im guatemaltekischen Hochland

  • Willi Volks, INKOTA
  • Lesedauer: 6 Min.
Beim Goldabbau im guatemaltekischen Hochland kommt nicht nur die Natur unter die Räder. Auch die Menschenrechte der armen, vorwiegend indigenen Bevölkerung werden verletzt.
Widerstand gegen den Goldbergbau: Diodora Hernández mit einem ihrer Enkelkinder und Miguel Angel Bamarca
Widerstand gegen den Goldbergbau: Diodora Hernández mit einem ihrer Enkelkinder und Miguel Angel Bamarca

»Was ist das?« Unser Wagen durchfährt auf der ansonsten außergewöhnlich guten Straße eine spürbare Senke. »Das ist eine Folge des Tunnelsystems der Goldmine ›Marlin‹«, klärt mich Fernando Martínez von der INKOTA-Partnerorganisation COPAE (Kommission für Frieden und Ökologie) auf und fährt fort: »Du wirst gleich noch ganz andere Dinge zu Gesicht bekommen.« Und tatsächlich, kurze Zeit später stehen wir vor einem verlassenen Haus, das einmal das Gemeindeamt von Nueva Esperanza (Neue Hoffnung) war, bis eines Tages Leute von der Mine kamen und meinten, das Amt müsse ebenso wie die danebenstehende Schule wegen Einsturzgefahr schleunigst geschlossen werden. Somit befinden sich heute zwei gespenstisch leere Gebäude auf dem Berg unmittelbar über dem Riesenkrater der Goldmine.

»Errungenschaften« erhitzen die Gemüter

Doch Goldcorp, die kanadische Betreiberfirma des Bergwerks, hat »Wiedergutmachung« geleistet. Etwas abseits befindet sich nun das neue Gemeindezentrum mit dem Bürgermeisteramt, einem Basketballplatz, der Schule und einem Gesundheitsstützpunkt. Dieses Zentrum, das mehr zu einem mittelständischen Stadtviertel in der Hauptstadt passen würde, wirkt eigentümlich fremd in dem ansonsten armen Umfeld der indigenen Gemeinden im guatemaltekischen Hochland.

An diesen »Errungenschaften« scheiden sich mittlerweile die Geister in dem kleinen Bergdorf. Noch vor einiger Zeit hat sich die Bevölkerung in einer Volksbefragung mit übergroßer Mehrheit gegen den Goldabbau entschieden, inzwischen ist die Gemeinde gespalten. Die einen preisen die Entwicklung, die mit der Mine ins Dorf kam; die anderen halten den Preis, den sie für diese fragwürdigen Errungenschaften zahlen müssen - die völlig zerstörte Natur, der Wegfall von Land zum Anbau von Nahrungsmitteln, Gesundheitsgefährdungen durch kontaminierte Gewässer, Böden und Luft - für nicht hinnehmbar. Dieser Streit über Fluch und Segen der Entwicklungen ist inzwischen gefährlich eskaliert. Trauriger Höhepunkt war vor gut einem Jahr das bewaffnete Attentat auf Diodora Hernández, bei der ihr ein Auge ausgeschossen wurde. Sie lag wochenlang im Krankenhaus und überlebte nur mit Glück. Diodora Hernández ist keinesfalls eine Aktivistin der Bewegung gegen die Mine »Marlin«. Ihr einziges »Vergehen« war, dass sie ihr Stück Land für den Goldabbau nicht hergeben wollte. Dafür wurde sie auch von einigen ihrer Nachbarn kritisiert, die meinten, sie würde dadurch der Entwicklung ihrer Gemeinde im Wege stehen.


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Aber Diodora Hernández lässt sich nicht beirren, im Gegenteil. Sie ist durch das Attentat erst zu einer entschiedenen Gegnerin der Mine geworden: »Leute, die andere töten wollen, damit hier Gold abgebaut werden kann, unterstütze ich nicht. Mein Land bekommen sie jedenfalls nicht. Ich habe keine Angst vor ihnen, auch wenn ich heute aus Sicherheitsgründen bei meiner Tochter wohne.«

Eine Aktivistin der ersten Stunde gegen den Goldabbau in der Region ist dagegen Mandilia Cardenas. Sie ist die katholische Gemeindevorsitzende in Nueva Esperanza. Wer der etwa 40-jährigen Indígena begegnet, traut dieser gemütlich wirkenden Frau in der typischen bunt gewebten Kleidung auf den ersten Blick die Entschlossenheit, die aus ihren Worten spricht, nicht zu. »Wir verstehen uns ganz eindeutig als eine Gemeinde im Widerstand gegen den Goldabbau«, sagt sie und führt weiter aus, dass die Eskalation der Gewalt besonders für die katholische Kirche eine schwierige Angelegenheit ist. Auf der einen Seite seien sie entschiedene GegnerInnen der Zerstörung ihres Lebensraumes, anderseits fühlen sie sich dem Frieden in den Gemeinden verpflichtet und setzen sich deshalb ausschließlich für friedliche Widerstandsformen ein. Doch eins steht für sie, eine Angehörige der indigenen Bevölkerungsgruppe der Mam, fest: »Wir verteidigen unsere Mutter Erde. Sie ernährt uns und schenkt Leben. Wir dürfen ihre Ausbeutung und Zerstörung nicht zulassen.« Viele ihrer MitstreiterInnen sehen das ähnlich, doch Mandilia Cardenas weiß auch, dass die Situation in den Gemeinden sehr kompliziert ist. »Von den insgesamt 1500 durch die Goldmine geschaffenen Arbeitsplätzen, die Goldcorp angibt, profitieren etwa 800 Menschen aus den umliegenden Gemeinden«, sagt sie. Dass es nicht mehr sind, liegt daran, dass die Einheimischen nur die einfachen, meist sehr schweren Arbeiten, wie das Wegräumen des Gesteins, ausführen können, da ihnen, die zum Teil Analphabeten sind, für andere Arbeiten die Ausbildung fehlt. Immerhin aber erhalten sie monatlich etwa 300 US-Dollar. Das ist für die Region ein sehr gutes und vor allem auch regelmäßiges Einkommen, was die kleinbäuerlichen Familien, die mit ihren Ernten hochgradig vom Wohl oder Wehe der Natur abhängig sind, besonders zu schätzen wissen. Kein Wunder also, dass es für die ausschließlich männlichen Arbeiter in der Mine keine Rolle spielt, dass sie sich gewerkschaftlich nicht organisieren dürfen, ihnen öffentliches Berichten über die Arbeitsbedingungen bei Androhung der sofortigen Entlassung strengstens verboten ist. »Das macht die Arbeit von COPAE nicht gerade leichter«, weiß Fernando Martínez, »Informationen aus erster Hand von den Arbeitern oder ihren Familien erhalten wir so gut wie keine.« Hinzu kommt eine hochgradige Verdrängung der Gefahren und eine ausgeprägte fatalistische Neigung dieser »Nutznießer« der Entwicklung. Auf Hinweise zu Untersuchungsergebnissen, dass Hautkrankheiten und die Gefährdung durch Krebserkrankungen stark zugenommen hätten, erhalten MitarbeiterInnen von COPAE schon mal die Antwort: Lieber an Krebs als an Armut gestorben!

Angesichts der Misere hilft oft nur Galgenhumor

Das sind Meinungen, die Miguel Angel Bamarca »auf die Palme bringen«. Er ist das, was man in Guatemala einen »líder natural« (eine »natürliche Führungsfigur«) nennt. Er ist in San Miguel der katholische Gemeindevorsitzende und außerdem der Apotheker des Ortes. Ihm, der sich besonders für Naturmedizin und die Gesundheit seiner Mitmenschen einsetzt, ist eine fatalistische Einstellung völlig fremd. Er klärt deshalb seine Mitmenschen vor allem darüber auf, dass das durch die Mine verseuchte Wasser in den Flüssen Tzala und Quvichil nicht mehr wie früher als Trink- und Brauchwasser genutzt werden kann. Doch er hat es dabei wahrlich nicht leicht. Zum einen hat auch er ein bewaffnetes Attentat nur mit Glück überlebt, und zum anderen will ein Teil der Bevölkerung lieber der intensiven Öffentlichkeitsarbeit von Goldcorp glauben als seinen Worten über Untersuchungsergebnisse von COPAE. So waschen denn einige weiter ihre Wäsche in den Flüssen oder lassen ihre Tiere daraus trinken.

»Leichtgläubigkeit und Verdrängung sind wirklich ein großes Problem«, bestätigt mir Fernando Martínez auf dem Heimweg und meint, dass nur langer Atem und Aufklärung dagegen helfen. Denn die Gefahr ist groß: Die Regierung hat allein für das Hochland an der Grenze zu Mexiko 17 Konzessionen für den Goldabbau vergeben. Ein Horrorszenario, bei dem einem manchmal nur noch der Galgenhumor bleibt, den Fernando Martínez aufblitzen lässt, als wir wiederum durch die Senke fahren: »Na, für heute hat die Straße ja wenigstens gehalten!«

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