Erkennen und regeln

DGB gegen Ausweitung von Werkverträgen

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Niedriglohnsektor hat im vergangenen Jahr vier Milliarden Euro an Subventionen verschlungen. Die Gewerkschaften wollen den Arbeitsmarkt re-regulieren. Dabei drängt sich ein neues Problem in den Vordergrund: Seit in der Zeitarbeit ein bescheidener Mindestlohn gilt, drängen immer mehr Arbeitgeber ihre Beschäftigten in Werkverträge und »Solo-Selbstständigkeit«.

Dass er den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, der »alle niedrigeren Löhne kassiert«, in seiner Amtszeit noch erlebt, dessen ist sich DGB-Chef Michael Sommer gewiss. Und auch die zweite große Forderung, mit der sich der Deutsche Gewerkschaftsbund dieses Jahr ins politische Geschehen einmischen will, gewinnt gesellschaftlich an Zustimmung: die Regulierung der Zeitarbeit.

Selbst SPD und Grüne, die die jetzigen, den Missbrauch fördernden Regelungen seinerzeit gegen den Widerstand aus den Gewerkschaften und der PDS per »negativem Tarifvorbehalt« durchgesetzt hatten, sind mittlerweile davon abgerückt. Inzwischen wollen besonders die Sozialdemokraten von ihrem alten Standardargument, Leiharbeit zeitige »Klebeeffekte« und fördere damit am Ende die reguläre Beschäftigung, nichts mehr wissen. Nun fordert die SPD gleichen Lohn für gleiche Arbeit - im Prinzip vom ersten Tag an. Damit übertrifft sie nun sogar den DGB-Chef, der den Arbeitgebern in der Leiharbeit immerhin eine »kurze Einarbeitungsfrist« zu einem niedrigeren Lohn zugestehen will, als ihn fest angestellte Kollegen beziehen.

Die Regulierung von Leiharbeit, die aus Sicht des DGB-Chefs mit den einschlägigen Tarifverträgen bereits begonnen hat, wird aber zuverlässig ein neues Problem aufreißen: Schon jetzt, so Sommer gestern in Berlin, versuchen immer mehr Arbeitgeber im Handel- und Dienstleistungsbereich, den seit Jahresfrist bestehenden Branchenmindestlohn in der Zeitarbeitsbranche von 7,89 Euro im Westen und 7,01 Euro im Osten zu umgehen, indem sie Beschäftigte in sogenannte Werkverträge drängen oder zu »Solo-Selbstständigen« ernennen. Dann können sie selbst den schmalen Mindestlohn in der Branche noch unterlaufen.

Wie weit dieses Phänomen inzwischen verbreitet ist, können nicht einmal die Gewerkschafter exakt abschätzen - denn diese Beschäftigungsverhältnisse existierten »am herkömmlichen Tarifgefüge ja gerade vorbei«, heißt es beim ver.di-Bundesvorstand. Dort schätzt man aber, dass die Zahl bereits »in die Hunderttausende« geht. Auch Michael Sommer traut sich keine Schätzung zu, verweist aber auf die Niederlande, wo bereits 15 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse auf solchen Konstrukten beruhten. »Diese Tendenz sehe ich auch in Deutschland«, sagt Sommer. Zu bremsen wäre sie laut DGB-Chef durch eine effektivere Kontrolle der Sozialversicherungspflicht.

Schwarz-Gelb hat bereits im Sommer eine harte Haltung angekündigt. »Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf«, lautet die zentrale Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion. Genau das fordern nun aber die Gewerkschaften: »Die Bundesregierung muss als ersten Schritt endlich eine detaillierte Aufstellung machen, aus der die Dimensionen des Problems hervorgehen«, so ver.di-Sprecherin Christiane Scheller.

Als besonders anfällig für die neue Dumping-Masche gelten Druckindustrie und Handel - dort speziell Logistikzentren und das frühmorgendliche Regaleinräumen. Bekannt geworden sind derartige Fälle zum Beispiel beim Möbelhaus Ikea. Scheller kennt aber auch Fälle, in denen Werkvertragskräfte als Kassierer eingesetzt worden seien, obwohl dafür ein Tarifvertrag besteht.

Aber auch die IG Metall warnt vor dem Werkvertrag: In der Betriebsrätebefragung 2011 war sich von 5000 Interviewten immerhin ein Drittel sicher, dass im Betrieb solche Konstrukte zum Einsatz kämen. Viele waren sich sicher, dass so reguläre Arbeitsplätze abgebaut wurden.

Sogar einen »Tarifvertrag« gibt es für Werkvertragsjobs. Er wurde von der »christlichen« Gewerkschaft DHV unterschrieben und beläuft sich im Westen auf 6,50 und im Osten auf 6 Euro. Das geht selbst der der »Christlichen Gewerkschaft Metall« (CGM) zu weit: »Dieser Tarifvertrag ist völlig inakzeptabel«, so jüngst CGM-Bundeschef Adalbert Ewen, »deshalb wird der DHV-Tarifvertrag für Regaleinräumer von uns auf das Äußerste missbilligt.«

All das will Michael Sommer nun mit Nachdruck auf die politische Agenda heben - bereits im Blick auf die Bundestagswahl 2013. Der DGB wolle sich da sehr frühzeitig und »rein inhaltlich« positionieren - aber nicht parteipolitisch. »Wir werden nicht für Rot-Grün auf die Straße gehen«, versprach der DGB-Chef.

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