»Wir fangen nicht bei Null an«
Die Thüringer Wirtschaft verspricht, sich bei Familienpflegezeiten kooperativ zu verhalten
Thüringens Unternehmer stehen den bundesweiten neuen Regelungen für Familienpflegezeiten aufgeschlossen gegenüber. »In den Firmen werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Regel einen Weg finden, um die Pflege naher Angehöriger zu ermöglichen«, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Wirtschaft Thüringens (VWT), Stephan Fauth. Die neue Regelung sei für die Unternehmen zwar mit Bürokratie verbunden, aber auch ein Schritt zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das sei angesichts der schrumpfenden und älter werdenden Bevölkerung und des Fachkräftebedarfs in Thüringen nicht unerheblich.
Nach dem seit Januar geltenden Familienpflegezeitgesetz können Arbeitnehmer bei der Pflege naher Angehöriger ihre Arbeitszeit maximal für zwei Jahre ohne extrem hohe Lohneinbußen reduzieren. Allerdings besteht kein Rechtsanspruch. »Natürlich gibt es dabei widerstreitende Interessen«, sagte Fauth. Aber es würde ja nicht bei Null begonnen. Flexible Arbeitszeitregelungen, Teilzeitmodelle oder Telearbeit seien in vielen Firmen schon gängige Praxis, um Familie und Beruf unter einen Hut bringen zu können.
Dazu gehört nicht nur die Kinderbetreuung, sondern auch die Pflege beispielsweise der Eltern. In Thüringen leben etwa 77 000 Pflegebedürftige - Tendenz steigend. Nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung wird 2030 jeder zehnte Thüringer über 80 Jahre alt sein.
Fauth ermutigte Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aufeinander zuzugehen. »Für große Unternehmen sind solche Regelungen allerdings leichter zu organisieren als für kleine«, sagte der Verbandsgeschäftsführer. »Aber vernünftig denkende Arbeitgeber werden Lösungen suchen.« Nach Prognosen werden bis 2020 etwa 200 000 Fachkräfte in Thüringen gebraucht.
Das Gesetz für Familienpflegezeit sieht vor, dass beim Lohn nur ein Teil der Arbeitszeitverkürzung berücksichtigt wird. Wird beispielsweise die Arbeitszeit auf die Hälfte reduziert, erhalten die Beschäftigten 75 Prozent des letzten Bruttoeinkommens. Später müssen sie wieder voll arbeiten, erhalten aber weiterhin nur 75 Prozent des Gehalts; bis ihr Zeitkonto ausgeglichen ist. Das Risiko, dass der Gehaltsvorschuss nicht ausgeglichen werden kann, muss durch den Abschluss einer Versicherung gedeckt werden.
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