Noch Zeit zum Üben
Das »Trainingscamp« fürs Alter bereitet im Theater unterm Dach auf ein Drama vor
Verschachtelt ist die Bühne. Vorn eine Videowand. Dahinter kleine Räume. Man denkt an eine Wohngemeinschaft. Angesichts steigender Mieten reden die Leute momentan viel darüber, dass sie sich im Alter vielleicht keine eigene Wohnung mehr leisten können. Unwillig stellen sie sich vor, zusammengerückt zu werden.
In dem Stück »Trainingscamp - Vorbereitungen auf ein späteres Drama« geht es im Theater unterm Dach ums Altwerden. Die vier Schauspieler von unitedOFFproductions, in den 60er und 70er Jahren geboren, zeigen ihr Imaginationsvermögen. Plötzlich sind sie 70, 82, 89 Jahre alt, spielen durch, wie es ihnen dann ergehen könnte. Äußerlich verändern sie sich dafür nicht. Es steht schon mal fest, dass sie innerlich möglichst bleiben wollen wie sie sind.
Aber WG sieht das Stück nicht vor. Vielmehr begleitet Hendrik Schneller die Schauspieler zeitweise mit der Live-Kamera in die vom Publikum nicht anders einsehbaren Räume, die dann Wohnungen der Einzelnen sind. So kommt man über die Videowand nah an die Gesichter, an Schmerz, an den Abendbrottisch mit einer Stulle, ein Wasserglas, an Einsamkeit.
Letzteres sehen alle hier das Alter Übenden voraus. Da sitzen sie, in die Jahre gekommen, hatten verdrängt, was sie erwarten könnte, verfallen aber auch nicht in Nostalgie. Die Jungen, die wollen nur nach oben, heißt es im Theatertext, aber die wüssten nicht, wie man vom Gipfel wieder herunterkommt. Man müsse aber vorher wissen, wo man 'ne Pause einlegt. Wo man Rast machen sollte und Kräfte sammelt, damit man Reserven für den Abstieg hat.
Gut gesagt. Denn von der Gesellschaft werden die Alten wahrgenommen, wie sie aussehen, nicht, wie sie sich fühlen, stellen die Trainierenden überrascht fest. Das macht die Suche nach einem Nebenjob zur Aufbesserung der Rente nicht einfacher. Dabei halten sie sich fit. Sie lernen Sprachen, engagieren sich ehrenamtlich. Kein Mensch will das wissen. Die Gesellschaft hat sie an den Rand geschoben. Zum Abtreten. So hatten sie sich das nicht vorgestellt.
Hier steigt unitedOFFproductions ein und liefert gedankliche Ansätze. Immerhin geht es hintergründig um die Prognose, dass im Jahr 2030 die Mehrheit der deutschen Bevölkerung über 60 Jahre alt sein wird. Die Politik - nicht über Wahlperioden hinaus denkend - macht keine Anstalten, irgendetwas dafür vorzubereiten. Schon jetzt wird dieses Massenphänomen der Alten als Bedrohung prognostiziert. Eigentlich eine gute Voraussetzung. Wird diese Generation sich das zu Nutzen machen? Lässt sich eine Mehrheit an den Rand schieben?
Unter der Regie von Dieter Krockauer (auch Text) ist Widerstand jedoch noch kaum wahrnehmbar. In diesem zweiten Stück der Trilogie zu den Themen »Familie«, »Alter« und »Sterblichkeit/Zukunft« triumphiert das Erdulden. Wehrlosigkeit. Absichtlich kaum couragiert ist der Anruf an das Grundgesetz inszeniert: »Die Würde des Menschen ist unantastbar...« Ein mickriges Aufbegehren gegen die »Abschiebung«.
Manchmal führen Franziska Dick, Katharina Bellena, Mirca Preißler und Stefan Mehren das Stück ins Absurde. Da geht es um eine staatliche Abwrackprämie. Sie käme den Erben zugute. Je eher man abtritt, desto mehr wird gezahlt. Die Nachkommen hätten also einen Nutzen. Man läge gesellschaftlich gut da. Dazu lässt sich der Lieblingssuizid proben. Das begeistert keinen der Alterselbsterfahrungsgruppe. Vorgefühlt wird auch die grauenhafte Pflegeheimsituation, in der sich Connie - im Übungscamp abgeklärte Trainerin - als überforderte Pflegekraft sieht.
»Trainingscamp« ist kein Amüsement. Die Koproduktion mit dem Theater unterm Dach und Bühnen in Braunschweig, Düsseldorf und Hannover schließt mit dem Satz »Auf Wiedersehen, Träume!« Hoffentlich nicht. Ist ja noch Zeit zum Üben.
26.-29. Januar, Theater unterm Dach, Danziger Str. 101, Prenzlauer Berg, Tel.: (030) 902 95 38 17
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