Die Stunden nach dem Scheitern

Mit der verpassten Olympiaqualifikation tun sich die deutschen Handballer schwer

  • Erik Eggers, Belgrad
  • Lesedauer: 4 Min.

Auch in den Stunden nach dem Aus bei der EM in Serbien hatten sich die deutschen Handballer als Einheit präsentiert. »Wir waren alle im Zimmer von Michael Haaß und haben Fernsehen geschaut«, berichtete der Flensburger Holger Glandorf, als sie die Reise in die Heimat antraten. Sie standen dem Göppinger Spielmacher bei, der sich in den letzten Minuten des unglückseligen Spiels gegen Polen (32:33) einen Fußbruch zugezogen hatte - das war für Bundestrainer Martin Heuberger ein symbolhafter Abschluss: »Diese Mannschaft hat eine tolle Entwicklung gemacht und sich durch großen Teamgeist ausgezeichnet.«

Im Foyer des Belgrader Fünf-Sterne-Hotels, dem Quartier aller Teams, wurde die Fahne in Schwarz-Rot-Gold abgehängt, als der 47-Jährige aus Schutterwald nach dem Frühstück sein erstes Turnier als Bundestrainer resümierte. Der Frust über das Scheitern war auch deshalb so groß, weil es historische Dimensionen annimmt: Wenn im August in London der Olympiasieger ermittelt wird, fehlt erstmals das Mutterland des Handballs. »Das ist fatal«, weiß Heuberger. »Wir haben unser großes Ziel nicht erreicht.«

Der Hamburger Kapitän Pascal Hens verweigerte jedes Interview, verließ wortlos das Hotel. Der Traum, ein Olympiaturnier ohne Verletzungen zu absolvieren, zerplatzte in seinem 199. Länderspiel, da sich die Karriere des 31-Jährigen dem Ende zuneigt. Hens hatte ein furchtbares Turnier gespielt, und das trotz steigender Formkurve im Dezember. Unerklärlich für ihn, für den Trainer, für alle. Welche Möglichkeiten hätte dieses eingeschworene Team mit einem Hens in starker Form gehabt?

Eine große sportliche Zäsur ist nach dem siebten Platz in Serbien nicht zu erwarten. Der Deutsche Handballbund (DHB) hält am Bundestrainer Heuberger fest, das stellte Vize-Präsident Horst Bredemeier schon vor der Abreise klar. »Heuberger hat einen Dreijahresvertrag bis 2014, und der wird erfüllt«, sagte Bredemeier. Die Bundestrainer-Frage wurde auch deshalb nicht gestellt, weil der Trend nach den vorangegangenen Turnierpleiten im Grunde nach oben zeigt. »Vor dem Turnier hat niemand auch nur einen Cent auf uns gewettet, und jetzt hatten wir die große Chance, das Halbfinale zu erreichen«, sagte Heuberger.

Hinzu kommt, dass die Niederlage gegen Polen höchst unglücklich war, nicht nur wegen der bösen Verletzung von Haaß, auch weil das Team nach Meinung der DHB-Verantwortlichen nach der 31:29-Führung vier Minuten vor Schluss von den spanischen Schiedsrichtern übervorteilt worden war. »Schade, dass es nicht nur auf der sportlichen Ebene entscheiden wurde, sondern durch diskussionswürdige und fragwürdige Entscheidungen verfälscht wurde«, sagte Heuberger nach dem Videostudium. Auch DHB-Manager Heiner Brand kritisierte die Referees. »Die Leistungen waren schon das ganze Turnier nicht gut, da war keine Linie drin.«

Auch die Mannschaft wird sich nicht radikal verändern, dafür fehlt es an geeigneten Kandidaten im Nachwuchsbereich. Womöglich wird Hens aufhören, auch der 33-Jährige Abwehrchef Oliver Roggisch (Rhein Neckar-Löwen) könnte abtreten, nach Lage der Dinge wird der talentierte Halblinke Christian Dissinger (Schaffhausen) dazu kommen, sobald er seinen Kreuzbandriss auskuriert hat, und auch Kreisläufer Hendrik Pekeler (Bergischer HC) besitzt eine große Perspektive. Der Kern des Teams aber verändert sich nicht. »Wir sind darauf angewiesen, was uns die Bundesliga an Spielern liefert«, sagte Heuberger. Eine erneute Debatte darüber, in den Klubs eine Quote für deutsche Spieler einzuführen, wollte er in Belgrad aber nicht anstoßen.

»Es wird weitergehen mit dem Handball in Deutschland«, sagte der Mann aus der Ortenau, der sich nicht bemühte, seine Müdigkeit zu verbergen. »Dieses Turnier hat mich viel Kraft gekostet«, sagte Heuberger, bevor er in den Bus zum Flughafen stieg. »Nun muss ich auch ein paar Tage an mich denken.« Einen Rücktritt schließt der Nachfolger Brands aus. »Aufgeben kann man Pakete bei der Post, aber ich werde nicht aufgeben«, sagte er. »Mein Ziel bleibt weiter, eine Mannschaft aufzubauen, die so schnell wie möglich um Titel mitspielt.« Ein Turnier war verloren für den Bundestrainer, sein Kampfgeist aber lebt.

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