Deutsche Radsprinter im Temporausch

Die schnellsten Bahnasse bekommen in Berlin Weltmeistertrikots und schauen schon nach London

  • Manfred Hönel
  • Lesedauer: 2 Min.

»Hier ist die Welt noch in Ordnung«, staunte Klaus Dobbratz, einstiger Pressechef der längst eingeschlafenen Stuttgarter Sechstage. Berlin dagegen ist offenbar nicht in die Knie zu zwingen. Rund 24 000 Zuschauer amüsierten sich an den beiden ersten Tagen der 101. Six Days. Großartige Stimmung und hochklassiger Sport - diese Mischung funktioniert hier noch. Schon jetzt steht der Termin für das 102. Berliner Rennen im nächsten Jahr fest. Vielleicht kann dann Roger Kluge nach Silber von Peking erneut olympisches Edelmetall vorzeigen. Die Frühform scheint zu passen. Nach der ersten Nacht lag er gemeinsam mit Leif Lampater in Führung.

Vielleicht glänzen in London auch Deutschlands Sprinter. Unter dem Cottbuser Trainer Detlef Uibel sind sie wieder an die Weltspitze herangerückt. Die überraschten Zuschauer im Velodrom erlebten zur Eröffnung sogar eine WM-Ehrung mit Trikotübergabe und Nationalhymne. Dem deutschen Trio René Enders (Erfurt), Maximilian Levy (Cottbus) und Stefan Nimke (Schwerin) wurde der Titel vom Frühjahr 2011 nachgereicht. Die damals siegreichen Franzosen wurden wegen Unregelmäßigkeiten bei den Dopingkontrollen disqualifiziert. Der Erfurter René Enders verkniff sich allerdings überschwänglichen Jubel: »Es ist zwar schön, dass wir nun Weltmeister sind. So richtig macht mich die Ehrung aber nicht mehr an. Die WM liegt viel zu weit zurück. Wir haben längst unsere Blicke in Richtung London gerichtet.«

Und dort scheint einiges möglich zu sein. »Die vergangenen Weltcups haben gezeigt: Wir deutschen Radsprinter müssen uns nicht mehr verstecken«, sagte Robert Förstemann. Der Geraer trieb im November sein Rad auf unglaubliche 79,9 Stundenkilometer an. Eine höhere Geschwindigkeit wurde noch nie gemessen. Maximilian Levy will jedoch dem Thüringer den Ruhm nicht so schnell überlassen. Er glaubt, selbst als Erster seinen Berliner Bahnrekord von 12,881 s aus dem Jahr 2008 brechen zu können.

Förstemann macht das Wiedererstarken der deutschen Radsprinter an einer kompletten Trainingsumstellung fest: »Statt Trainingfahrten von 200 Kilometern bleiben wir jetzt nicht mehr so lange im Sattel, legen aber viel mehr Wert auf das Krafttraining.«

Natürlich sehen auch Levy und Nimke mit Zuversicht in Richtung London. »Die sechs Tage von Berlin sind nach dem Trainingslager in Südafrika eine wunderbare Möglichkeit, die Form zu testen«, sagt Nimke. Doch zum Spaß sind die sechs deutschen Sprinter nicht in Berlin. »Nur drei von uns dürfen nach London. Wir haben alle noch die Chance, deshalb sind gute Platzierungen jetzt in Berlin sehr wichtig«, weiß Förstemann.

Stand nach der 1. Nacht

1. Lampater/Kluge (Rosenheim/Cottbus) 47 Pkt.
2. de Ketele/Mertens (Belgien) 39
3. Bengsch/Kalz (Berlin) 39

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