Der Haushalt muss öffentlich sein

Rostocker OB-Kandidatin Kerstin Liebich (LINKE) will soziale Gelder besser verteilen

  • Lesedauer: 4 Min.
Am 5. Februar wählen die Rostocker einen neuen Oberbürgermeister. Kandidatin für die LINKE ist Kerstin Liebich. Für »nd« sprach mit ihr Velten Schäfer.
Kerstin Liebich
Kerstin Liebich

nd: Im Rostocker Oberbürgermeisterwahlkampf hat man gelegentlich den Eindruck, es stünden alle gegen einen, nämlich den parteilosen Amtsinhaber Roland Methling. Worin unterscheiden Sie sich denn von den Bewerbern der CDU, SPD oder den Grünen?
Liebich: An dem Eindruck ist natürlich was dran, das hat mit der Art zu tun, wie hier in den letzten Jahren ein Oberbürgermeister quasi gegen die Bürgerschaft als Ganzes agiert hat. Ich meine aber doch, dass ich mich inhaltlich von den anderen Bewerbern deutlich unterscheide, das beginnt bei Themen wie gute Arbeit und dem Drängen auf einen Mindestlohn bei der Vergabe öffentlicher Ausgaben der Stadt...

… was auch der SPD-Kandidat Ait Stapelfeld unterschreiben würde und vermutlich sogar die CDU-Bewerberin Karina Jens.
Das mag sein, aber es ist ja die Frage, wie sehr man sich dann dafür einsetzt. Ein anderes Thema ist die öffentliche Daseinsvorsorge. Hier gibt es mit mir keinen Verkauf. Da können Sie sagen, dass das mit Ausnahme des OB alle Bewerber sagen, doch ich würde da etwa bei der CDU ein dickes Fragezeichen setzen. Das dritte große Thema, das mir am Herzen liegt, ist die Sozial- und Jugendpolitik. Die ist mit vertraut, ich habe bei der Leistungsauszahlung im Sozialamt begonnen, bevor ich Stadträtin und dann Staatssekretärin im Sozialressort geworden bin.

Was läuft diesbezüglich falsch in Rostock?
Der ganze Bereich ist schon auf der Verwaltungsseite stark vernachlässigt; es gibt keine durchdachte Jugendhilfeplanung. Und es gibt niemanden, der über die im Sozialbereich ausgegebenen Gelder einen systematischen Überblick hat und kompetent nachfragen kann, ob sie den Zweck erfüllen, den sie erfüllen sollen. Das betrifft Bereiche wie die Hilfe zur Erziehung, zur Pflege und für behinderte Menschen. Es geht da zunächst nicht mal um mehr Geld, man muss das Geld auf Verwaltungsseite auch gut verteilen.

Das heißt?
Es kann zum Beispiel nicht weiterhin sein, dass wichtige Einrichtungen wie Stadtteil- und Begegnungszentren keine Planungssicherheit haben. Ich werde mich mit den Leuten verständigen, welche Aufgaben wir erledigen wollen und in diesem Fall zumindest Verträge über drei Jahre machen. Hier muss eine Geschäftsgrundlage der Verlässlichkeit einziehen.

Apropos Geschäft: Braucht Rostock weiterhin den defizitären Flughafen Laage?
Das Land braucht diesen Flughafen, der Verbindungen in das Wirtschaftszentrum schafft und dem Tourismus nutzt. Mecklenburg-Vorpommern muss sich zu dem Flughafen bekennen, so etwas ist keine kommunale Aufgabe.

Braucht Rostock einen Theaterneubau? Und wo soll er stehen?
Rostock braucht eine neue feste Spielstätte; als Standort schlage ich den Rosengarten vor. Wir sollten aber nicht getrennt vom Inhalt über einen neuen Bau sprechen. Das Volkstheater sollte sich mehr in die Stadt öffnen, in Richtung der Off-Kultur und anderen urbanen Akteuren. Das kann man nicht von oben verordnen. Es ist auch am Theater, sich Gedanken zu machen. Andere Städte zeigen, wie wichtig ein interessantes Kulturumfeld sein kann. Rostock ist ja eine Stadt, die wieder wächst.

In Berlin zum Beispiel zeigt sich aber auch, dass derartige Aufwertungsprozesse schnell in eine unsoziale Verdrängung münden können. Sehen Sie die Gefahr in Rostock?
Im Moment ist die Situation gespalten: Während in Innenstadtlagen die Mieten schon sehr anziehen, gibt es zum Beispiel im Nordwesten leere Wohnungen. Auf Initiative der LINKEN hat die Bürgerschaft bisher einen Verkauf unserer Wohnbaugesellschaft WIRO verhindert. Gegen den jetzigen Oberbürgermeister, der den Verkauf von öffentlichen Wohnungen zur Haushaltssanierung vorgeschlagen hatte. Die WIRO kann ein starkes Instrument zum Gegensteuern sein. Sie ist heute stark genug für Neubauten - und hat auch einen sozialen Auftrag.

Um zum Ausgangspunkt zurückzukehren: Alle außer dem Amtsinhaber versprechen einen »neuen Politikstil«. Wie sieht Ihrer konkret aus?
Transparent und bürgernah, aber nicht als Phrase. Ein Ansatzpunkt wären die Quartiersfonds, über deren Verwendung schon heute die Bürger abstimmen dürfen, das ließe sich in Richtung Bürgerhaushalt entwickeln. Eine andere Frage könnte sein, ob die Rostocker eine allgemeine Verkehrsabgabe akzeptieren und dafür der ÖPNV frei wäre. Ich will solche Fragen diskutieren. Die Bürger sollen letztlich entscheiden. Der erste Schritt müsste darin bestehen, den Haushalt zu veröffentlichen.

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