Verdacht bleibt

Verfahren gegen Armstrong eingestellt

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Lance Armstrong hat seine achte Tour de France gewonnen. Sie war in Kilometern nicht zu messen, dauerte aber fast zwei Jahre. Im Ex-FBI-Agenten Jeff Novitzky hatte der Rekordmann aus Texas einen Mann, der härter, smarter und ausdauernder schien als all die Jan Ullrich, Ivan Basso und Joseba Beloki, die ihn zuvor auf dem Rad herausgefordert hatten - und die allesamt zu den Kunden des Dopimgarztes Eufemiano Fuentes gezählt werden. Novitzky hatte bis dato einige dopende Sportler überführt, als prominenteste von allen Olympiasiegerin und Weltrekordlerin Marion Jones.

Doch an Armstrong biss auch Novitzky sich die Zähne aus. Bundesstaatsanwalt Andre Birotte ließ mitteilen, dass die Arbeit der Grand Jury, die über den Dopingverdacht gegenüber Armstrong zu befinden hatte, eingestellt wird. Armstrong feierte dies wie einen Sieg. »Ich bin hoch erfreut. Es ist der richtige Entscheid. Ich freue mich jetzt darauf, mein Leben als Vater, Wettkämpfer und Anwalt für den Kampf gegen Krebs ohne diese Ablenkung fortzusetzen«, ließ er seinen Sprecher Mark Fabiani ausrichten. Frühere Weggefährten zeigten sich hingegen bestürzt. »Unser Rechtssystem hat versagt«, meinte Betsy Andreu, Ehefrau vom einstigen Armstrong-Helfer Frank Andreu, und nach Eigenaussage Zeugin eines Dopingeingeständnisses von Armstrong.

Versagt hat das Rechtssystem nicht. Es ist nur nicht auf Doping ausgelegt. Die Verdachtsmomente dafür waren nämlich beträchtlich. Neben den Andreus beschuldigten mit Floyd Landis und Tyler Hamilton zwei gewichtige Helfer bei Armstrongs Tour-Triumphen ihren einstigen Boss des Dopings. »Ich sah Epo in seinem Kühlschrank. Ich sah mehr als einmal, wie er es sich gespritzt hat, wie wir alle es gemacht haben, wie ich es viele, viele Male getan habe«, erzählte Hamilton in einem TV-Interview. Landis bezeichnete Armstrong als seinen »Doping-Mentor«. Die Aussagen der beiden sind vielleicht nicht absolut vertrauenswürdig, weil sie von einstigen Dopern und Dopingleugnern stammen. Glaubwürdig sind sie hingegen schon. Wer weiß besser über Manipulationen Bescheid als einer, der selbst manipuliert hat?

In der Vergangenheit gab es zudem weitere Hinweise auf Doping durch Armstrong. US-Medien beschuldigten ihren Landsmann der Nutzung des Blutersatzstoffes HemAssist. Eine nachträgliche Analyse von Armstrongs Dopingproben von der Tour 1999 durch das französische Labor Chatenay-Malabry erbrachte den Nachweis von EPO.

Beim Verfahren der Grand Jury drehte es sich aber nicht darum, ob Armstrong gedopt haben könnte. Es sollte vielmehr herausgefunden werden, ob US-Steuergelder - aus dem Budget des halbstaatlichen Postunternehmens - für Dopingpraktiken im Team US Postal benutzt wurden. Das gestaltete sich offenbar als schwierig. Weil Staatsanwalt Birotte keine Angaben über die Gründe der Einstellung des Verfahrens machte, bleibt darüber nur zu spekulieren.

Es könnte an der Verjährungsfrist für solcherart Delikte liegen. Sie beträgt gewöhnlich 5 Jahre. Lediglich die Gesetzgebung für organisiertes Verbrechen (RICO) gewährt ein 10-Jahresfenster. Doch auch da wäre es eng geworden. Hamiltons Aussagen decken nur die Jahre 1999 - 2001 ab. Nur Landis' Zeugenschaft reicht bis ins Jahr 2004. Vielleicht waren auch die Geldflüsse nicht direkt nachzuweisen. Und Armstrong kam dank der cleveren Arbeit seiner Anwälte gar nicht erst in die Verlegenheit, vor einer Grand Jury aussagen - und eventuell lügen - zu müssen, wie es Marion Jones geschah. Armstrong hat mit der Einstellung des Verfahrens einen Sieg errungen. Er ist weiterhin nicht offiziell des Dopings überführt. Einen Freispruch erster Klasse hat er aber nicht erreicht.

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