Sarkozys Mini-Börsensteuer

Gesetzentwurf stößt auf Ablehnung bei Attac: Einnahmen sind 16 Mal niedriger als in Taiwan

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Frankreich hat eine Finanztransaktionssteuer auf den Weg gebracht. Es gibt jedoch Kritik an den mangelnden Ambitionen der Rechtsregierung.

Der französische Ministerrat hat am Mittwoch den Gesetzentwurf für eine Finanztransaktionssteuer verabschiedet, die Anfang August in Kraft treten soll. Der Text wird in den nächsten Tagen dem Parlament vorgelegt, damit er noch beraten und verabschiedet werden kann, bevor die Volksvertretung Mitte März aufgrund der bevorstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vorzeitig ihre Legislaturperiode beendet.

Diese Abgabe auf Börsengeschäfte soll Spekulanten bremsen, Zusammenbrüche der Finanzwirtschaft verhindern und dem Staatshaushalt neue Mittel zuführen. Der Ertrag wird auf jährlich 1,1 Milliarden Euro geschätzt. Paris prescht damit innerhalb der Eurozone vor. »Frankreich will durch sein Beispiel die anderen mobilisieren und mitziehen«, erklärte Präsident Nicolas Sarkozy.

Dem Gesetzentwurf zufolge werden Geschäfte mit Aktien von Unternehmen, die ihren Sitz in Frankreich und einen Börsenwert von mehr als einer Milliarde Euro an der Börse haben, mit einer Steuer von 0,1 Prozent belegt, die der Käufer zu entrichten hat. Nicht betroffen sind Obligationen, Rohstoff- und Devisengeschäfte oder Derivate. Kreditausfallversicherungen (CDS) sollen künftig mit 0,01 Prozent besteuert werden. Die CDS haben eine zentrale Rolle in der Finanzkrise 2008/2009 gespielt und werden gegenwärtig zu spekulativen Angriffen auf Euro-Krisenländer eingesetzt. Derselbe Steuersatz von 0,01 Prozent soll auf Transaktionen im sogenannten Hochfrequenzhandel Anwendung finden, wo per Computer viele Millionen Operationen pro Sekunde ausgeführt werden, was auf Kursmanipulationen zielt und beispielsweise höhere Aktienkurse vortäuschen soll. Diese betrügerische Praxis soll durch die Steuer eingedämmt werden.

Die finanzpolitische Sprecherin der Sozialistischen Partei im Senat, Nicole Bricq, kritisierte den Gesetzentwurf, weil er »weit hinter den von der Regierung selbst deklarierten Ambitionen zurückbleibt«. Es werde nicht einmal die sehr zurückhaltende Praxis in Großbritannien erreicht, das zwar eine Börsenumsatzsteuer hat, sich aber entschieden einer europaweiten Finanztransaktionssteuer widersetzt. Dort beträgt der Satz der sogenannten Stempelsteuer (»Stamp Duty«) 0,5 Prozent, also fünf Mal so viel wie im französischen Entwurf.

Kritik gibt es auch von der französischen Sektion der Antikorruptionsorganisation Transparency International. Sie erinnert daran, dass Sarkozy 2010 vor der UNO versprochen hat, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, um zur Erfüllung des Millenniumsziels beizutragen, die Armut in der Welt bis 2015 zu halbieren. Stattdessen diene die Steuer jetzt dazu, Löcher im Pariser Staatshaushalt zu stopfen.

Nach Einschätzung von Attac France ist der Regierungsentwurf auch »weit entfernt vom Geist der Tobin-Steuer«. Es handele sich dabei »bestenfalls um politisches Marketing, schlimmstenfalls um ein Betrugsmanöver«. Die Rechtsregierung habe sich bei der Abfassung des Textes den Wünschen der Banken gebeugt. So müssen die Aktienkäufer die Steuer entrichten. In Frankreich träfe das mindestens neun Millionen Kleinaktionäre oder Sparer, deren Guthaben oder Lebensversicherungen von den Banken in Aktien angelegt sind und an die die Steuer weitergegeben wird. Bezeichnenderweise bleiben die Spekulationsfonds in den Steueroasen ungeschoren, unterstreicht Attac. Der lächerlich geringe Steuersatz von 0,01 Prozent für CDS-Operationen werde solche Spekulationen nicht verhindern. Dass der Senat, die zweite Kammer des Parlaments, für solche Geschäfte einen zehn Mal höheren Satz vorgeschlagen hat, wische die Regierung ebenso beiseite wie die Forderung des Europaparlaments, den Hochfrequenzhandel gänzlich zu verbieten. Außerdem sei die Wirkung der französischen Finanztransaktionssteuer von vorn herein äußerst begrenzt, weil zahlreiche Operationen oder Produkte gar nicht erfasst werden. »Da ist es nicht verwunderlich, dass Sarkozys Finanztransaktionssteuer nicht mehr als 1,1 Milliarden Euro pro Jahr einbringen dürfte«, stellt Attac France fest. »Das ist drei Mal weniger als die entsprechende Steuer der Schweiz, fünf Mal weniger als die britische ›Stamp Duty‹, 14 Mal weniger als die Steuer in Brasilien und 16 Mal weniger als in Taiwan.«

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