Ein gefährlicher Irrtum

  • Michael Olafsen
  • Lesedauer: 3 Min.
Michael Olafsen ist Aktivist bei Avanti – Projekt undogmatische Linke in Kiel. Auf Wunsch des Autors wird darauf verzichtet, ein Bild von ihm zu veröffentlichen.
Michael Olafsen ist Aktivist bei Avanti – Projekt undogmatische Linke in Kiel. Auf Wunsch des Autors wird darauf verzichtet, ein Bild von ihm zu veröffentlichen.

Seit klar ist, dass die Gruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) mehr als zehn Jahre angeblich unerkannt mordend durch die Bundesrepublik ziehen konnte, werden allenthalben Stimmen laut, die eine Ausweitung der rechtlichen Möglichkeiten im »Kampf gegen Rechts« fordern. Ein »Gemeinsames Abwehrzentrum Rechts« soll die Informationen von Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt sammeln, die Beobachtung durch den Verfassungsschutz soll auch gegen nicht gewalttätige Verfassungsfeinde möglich werden. Die üblichen Verdächtigen aus CDU und SPD schreien erneut nach Vorratsdatenspeicherung und mehr. Doch solche Forderungen werden nicht nur von Vertretern einer »wehrhaften Demokratie« erhoben - auch viele ehrliche Antifaschisten sind der Meinung, gegen Nazis wäre ein »starker Staat« notwendig. Im antifaschistischen Alltag der Mobilisierung zu Anti-Nazi-Blockaden begegnen wir immer wieder Antifaschisten, die in dem Verbot von NPD und Freien Kameradschaften ein Allheilmittel sehen. Diese Freundinnen und Freunde unterliegen einem doppelten, gefährlichen Irrtum.

Zum einen müssen wir sehen, an wen sich diese Forderungen richten. Die Behörden der Bundesrepublik bemühen sich Zeit ihres Bestehens, Naziaktivitäten zu entpolitisieren und als Einzelfälle abzutun. Die Bekämpfung von »Extremisten« wurde der Polizei und vor allem dem Verfassungsschutz übertragen. Seit Jahrzehnten zeigt sich, dass die Ämter für Verfassungsschutz im Wesentlichen linke Politik diskreditieren, Nazistrukturen aber kontinuierlich stützen.

Schon in den 80er Jahren hat der Verfassungsschutz seinen angeblichen Beobachtungsauftrag dazu genutzt, führende Positionen in Naziorganisationen zu besetzen. Bezahlte V-Leute haben diese Organisationen mit aufgebaut. Das Bundesverfassungsgericht hat daher den Antrag auf Verbot der NPD mit dem Argument ablehnen müssen, es sei nicht feststellbar, welche politischen Positionen originär der NPD entstammen und welche durch den Verfassungsschutz hineingetragen wurden. Das bedeutet, dass der Inlandsgeheimdienst die NPD aber auch andere Naziorganisationen unterstützt und mit aufgebaut hat.

Das gleiche war beim Thüringer Heimatschutz festzustellen, dessen Gründer und Chef jahrelang vom Verfassungsschutz bezahlt wurde und der behauptet, das gesamte Geld sei in den Aufbau der Organisation geflossen. Die bisher festgestellten Mitglieder und Unterstützer der NSU stammten alle aus dem Umfeld der Jenaer Sektion des Thüringer Verfassungsschutzes. Es kann also angenommen werden, dass auch sie von diesen Geldern profitiert haben. Der Inlandsgeheimdienst sorgt de facto auch für den Auf- und Ausbau von Nazi-Strukturen, die er beobachtet. Die ersatzlose Abschaffung aller Verfassungsschutzbehörden würde dem ein Ende setzen.

Vor diesem Hintergrund sind Forderungen an den Staat, dem Naziproblem mit harter Repression dem Abbau demokratischer Rechte entgegenzutreten, nicht nur sinnlos, sondern im Gegenteil geeignet, einen Repressionsapparat zu rechtfertigen, der sich im Wesentlichen gegen Linke richtet.

Der Hauptirrtum von Forderungen nach hartem staatlichem Vorgehen gegen Nazis besteht aber darin, dass damit die Illusion erzeugt wird, durch Repression kann dem braunen Spuk ein Ende bereitet werden. Natürlich wissen wir, dass ein Verbot faschistischer Organisationen - wie zuletzt der Hilfsorganisation Nationaler Gefangener - die Naziszene schwächt und stellen uns daher auch hinter solche Forderungen. In erster Linie kann aber nur die offene gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Nazis und faschistischen, rassistischen und antisemitischen Einstellungen bewirken, dass diese gesellschaftlich isoliert und ausgegrenzt werden. Nur auf diese Weise lässt sich die Naziszene nachhaltig unter Druck setzen und dauerhaft kleinhalten. Solange kapitalistische Werte und Marktgesetze unseren Alltag bestimmen, die Ellenbogengesellschaft als »leistungsgerecht« idealisiert wird, werden solche Vorurteile ohnehin immer wieder reproduziert werden. Wir können und müssen also eine gesellschaftliche Stimmung erzeugen, in der rechte Einstellungen offen kritisiert werden. Dies ist in einer offenen Gesellschaft, in der die Freiheitsrechte des Einzelnen geachtet werden, viel eher möglich als in einer autoritären Gesellschaft, in der der starke Staat regiert.

Wer Nazis bekämpfen will, indem er demokratische Rechte beschneidet, ist daher auf dem falschen Weg. Lieber blockieren wir Nazidemos mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln als zu fordern, das Demonstrationsrecht so weit zu beschneiden, dass alle missliebigen Demonstrationen polizeilich verboten werden können.

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