Mein Tagebuch (4)
Retrospektive
Den Kinderfilm »Rwanyje baschmaki« (Zerrissene Stiefelchen, 1933, Margarita Barskaja) inszenierte die junge Regisseurin mit Kindern zwischen einem und elf Jahren und erreichte mit ihnen ein naives, anmutiges und rührendes Spiel.
Die Fabel ist in einer anonymen deutschen Hafenstadt Anfang der 1930er Jahre angesiedelt und bebildert Streikkämpfe der Docker, in die deren Kinder verwickelt werden. Jedoch sind die handelnden Figuren nur nach soziologischen Kriterien aufgeteilt und psychologisch wenig differenziert. Hier färben Auswirkungen damaliger ideologischer Doktrinen vom Sozialfaschismus den Realismus ein. Wenn zum Finale der Liebling der Kinder, der Zuschauer und der Regisseurin, der lebhafte, natürliche vierjährige Bubbi, zu Tode kommt, können nur Pathos und kämpferische Lieder einen tröstenden Ausblick geben.
Auch der Film »Putjowka w schisn« (Der Weg ins Leben, 1931, Ekk) handelt von Heranwachsenden: eine Gruppe junger Obdachloser in Moskau lebt von Diebstahl und Gaunereien. Der Staat greift ein, räumt die Jugendlichen von der Straße und schickt sie in ein - Kommune genanntes - Arbeitslager. Eine Idee, die für die gesamte Gesellschaft gelten sollte, wird zum Film: die Erziehung des »neuen Menschen« durch Arbeit, in Anlehnung an das pädagogische Konzept Makarenkos. Die jugendlichen Laien spielen sich selbst und prägen die Natürlichkeit des Films.
In diesem ersten sowjetischen Tonfilm verquickte Regisseur Nikolai Ekk ungewöhnliche szenische Lösungen mit Effekten des neuen Gestaltungsmittels Ton.
Schließlich ein außergewöhnlicher Dokumentarfilm: »Dwa Okeana« (Zwei Ozeane, 1933, Schnejderow). Ein Tonfilmteam fährt auf dem Eisbrecher »Sibirjakow« mit, der im arktischen Sommer 1932 die Nordostpassage vom arktischen Ozean bis zum Pazifik zum ersten Mal befährt und ausmisst. Die Filmleute drehen, was unterwegs so alles passiert - ohne Beschönigung, im nüchternen Reportagestil, ganz auf die Ereignisse unterwegs und auf die Arbeit der Mannschaft konzentriert - und deshalb faszinierend.
Das sowjetische Studio stellte mehr Dokumentarfilme her, als hierzulande bekannt ist. Filmische und ethnographische Entdeckungen sind sie alle.
»Rwannye baschmaki«, Montag, 13.2., Cinemaxx 8, 16 Uhr; Wiederholung Zeughauskino 18.2. 13.30 Uhr
»Putewka w schisn«, Cinemaxx 8 18.30 Uhr; Wiederholung ebenda 17.2., 10.30 Uhr (mit filmpädagogischem Begleitprogramm)
»Dwa Okeana«, Zeughauskino 16 Uhr
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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