- Kultur
- Berlinale 2012
Tagebuch (5)
Retrospektive:
Drei sehr unterschiedliche und zugleich charakteristische Beispiele aus der bemerkenswerten und reichen Dokumentarfilm-Produktion des Studios Meschrabpom-Film. »Artek« (1936, Proworow, Nesterow). Als große Reportage angelegt schildert der Film ausführlich einen Tagesablauf in dem berühmten Pionierlager auf der Krim, mit Sport und Spiel, Lagerfeuer, Liedern. Und fast beiläufig zeigt er sich auch als scheinbar ahnungsloses Dokument über die stalinistische Früherziehung zum »neuen Menschen«. Einer der letzten Filme vor der Liquidierung des Studios.
»Pesn o Gerojach« (Lied von Helden, Komsomol, 1933, Ivens) Der Holländer Joris Ivens drehte im Auftrag von Meschrabpom-Film eine dokumentarische Symphonie über den Aufbau des Eisenkombinats von Magnitogorsk und den enthusiastischen Arbeitseinsatz von Komsomolzen. Zu den faszinierenden Bildern von der schweren körperlichen Arbeit der Bauarbeiter montierte Ivens - zusammen mit dem Komponisten Hanns Eisler - frühe Tonexperimente: Kombinationen der Baustellengeräusche mit kirgisischen Volksweisen, auf der Hirtenflöte gespielt, und Telefon- und Radiostimmen mit Eislers Kampfliedern aus Berlin und dem Massenchor »Ural, Komsomol!«, der zündende Lobpreisung und Appell in einem war. Einer der ersten sowjetischen Tondokumentarfilme.
Zeitgleich zu Ivens drehte sein Moskauer Kollege und Antipode Dsiga Wertow »Tri pesni o Lenine« (Drei Lieder über Lenin, 1934), auch ein Tonfilm, in den Wertow viele Archivaufnahmen einbaute. Eine flott montierte, enthusiastische Hymne auf den Staatsgründer der Sowjetunion und auf alles das, was er für sein Land angeregt hatte, vor allem die Elektrifizierung (»Iljtschs Lämpchen«). Und alle Lebensfarben sind zu sehen: Trauer, Jubel, Arbeit, Massen und einzelne, viele anrührende Bilder aus dem Volksalltag.- Der Film wurde mehrfach von der stalinistischen und der nachstalinistischen Zensur umgeschnitten. Die Ur-Bilder Wertows freilich verloren ihre Kraft nicht. (In den Vorführungen werden die Fassungen von 1938 und 1970 miteinander verglichen.)
Artek: Dienstag, 14.2., Cinemaxx 8, 13 Uhr. Wiederholung ebenda, Sonntag, 19. 2., 11.30 Uhr
Pesn o gerojach: Dienstag, 14. 2., Cinemaxx 8, 13 Uhr. Wiederholung ebenda, Sonntag, 19.2., 11.30 Uhr
Tri pesni o Lenine: Zeughauskino, 14.2., 16 Uhr, Fassung von 1938
Cinemaxx 8, 16.2., 14 Uhr, Fassung von 1970
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.