Spritbauern ziehen durchwachsene Bilanz
E10, Biospritmarkt und EU-Richtlinien: 2011 brachte der Branche wenig Grund zur Freude
Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) blickt mit Ärger auf das vergangene Jahr zurück: Eigentlich hätte 2011 der Branche einen Schub geben können, denn mit Einführung des Kraftstoffs E10 wurde die Mineralölwirtschaft gezwungen, ein Produkt mit erhöhtem Agrospritanteil anzubieten. Der Kraftstoff mit zehn Prozent Ethanol vom Acker soll den Verkehrssektor emissionsärmer machen.
»Die Einführung von E10 verlief schleppend«, zieht jedoch VDB-Geschäftsführer Elmar Baumann Bilanz. »Die neue Kraftstoffsorte konnte sich bislang nicht wie von der Mineralölwirtschaft erhofft durchsetzen.« Weder Mineralölwirtschaft, noch Autobranche, noch Bundesregierung hatten im Vorfeld die Autofahrer zumindest von der Unbedenklichkeit des neuen Sprits überzeugt. »Von einer gut vorbereiteten Einführung für ein neues Produkt kann man eigentlich nicht sprechen«, kritisiert Dietrich Klein, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe), »denn alle Akteure haben den Informationsbedarf der Verbraucher unterschätzt.«
Vor allem die Angst, dass der neue Sprit ihrem Wagen schaden könnte, hielt die Autofahrer vom Griff nach E10 ab. Nach Informationen des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie ist diese Befürchtung zwar für den Großteil der Fahrzeuge unbegründet. Genaue Informationen erreichten den Verbraucher aber nur schleppend. Nachdem sich die beteiligten Akteure wochenlang gegenseitig die Schuld für die verhinderte Markteinführung in die Schuhe geschoben hatten, sah sich die Bundesregierung gezwungen, zum großen »Benzingipfel« nach Berlin zu laden und allen Beteiligten eine Informationskampagne zu verordnen. In der zweiten Jahreshälfte stabilisierte sich denn auch der E10-Verbrauch und lag im Dezember bei 190 000 Tonnen. Auch insgesamt verzeichnete die Bioethanolwirtschaft steigende Absatzzahlen: Von 460 000 Tonnen im Jahr 2007 stieg der Verbrauch auf über 1,3 Millionen Tonnen.
Ganz anders das Bild bei reinem Biodiesel und Pflanzenölkraftstoffen, die eine Zeit lang in landwirtschaftlichen Maschinen und im Transportsektor durch eine Steuerbefreiung eine echte Konkurrenz zur fossilen Alternative waren. Durch den Wegfall der Steuerbefreiung ist etwa der Markt für reinen Biodiesel von ehemals 1,94 Millionen Tonnen auf gerade noch 60 000 Tonnen fast vollständig zusammengebrochen.
Bestimmend für die Zukunft der Agrokraftstoffe ist aber vor allem die Frage danach, ob der Sprit vom Acker tatsächlich von Grund auf die Klimabilanz des Verkehrssektors verbessern könne. Zwar muss jeder in Deutschland verkaufte Liter ein »Nachhaltigkeitszertifikat« vorweisen und zur Zeit mindestens 35 Prozent weniger Kohlendioxid als die fossile Referenz ausstoßen. Um zu verhindern, dass die Ausweitung der Ackerflächen für Agrokraftstoffe den Nahrungsmittelanbau auf Moor- und Waldflächen verdrängen und dadurch den Kohlendioxidausstoß noch befördern, erwägt die EU derzeit aber eine Verschärfung der Zulassungsrichtlinien für die Kraftstoffe. Die Marktentwicklung ist deshalb noch nicht abzusehen.
Lexikon
Laut einer EU-Richtlinie sollen Biokraftstoffe bis zum Jahr 2020 einen Anteil von mindestens zehn Prozent am gesamten Treibstoffverbrauch in der EU haben. Das Präfix »bio« weist nicht auf ökologische Landwirtschaft hin, sondern lediglich auf die pflanzlichen Energiequellen wie Ölpflanzen, Getreide und Zuckerrüben. In Deutschland kommen Biokraftstoffe praktisch nur als Beimischung zum Einsatz. Biodiesel wird herkömmlichem Diesel beigemischt, Bioethanol herkömmlichem Superbenzin. nd
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