Zart, leidenschaftlich wild
Ronald Paris lädt zu einer visuellen Weltreise in die HELIOS-Galerie in Berlin-Buch
Er wäre beglückt, sagt der Maler, wenn seine Bilder jenen Menschen, die mit Krankheiten hadern, mit körperlichem Schmerz und psychischen Belastungen, vielleicht gar ums Überleben kämpfen, Hoffnung und Trost geben könnten. 32 Gemälde von Ronald Paris sind derzeit in der HELIOS-Galerie im Klinikum Berlin-Buch zu sehen. Paris bietet Impressionen aus der Provence und Paris, aus Antalya und Ahrenshoop, aus Spanien und Syrien, Italien und Irland.
Mit der Hingabe eines Forschers hat der Künstler die Seele der jeweiligen Landschaft zu ergründen gesucht. Mit tiefem Ultramarin und grellem Weiß ist die stürmische, schaumbekrönte See vor der irischen Westküste eingefangen. Kaltes Nordlicht durchbricht den aufgerissenen Himmel. Wind und Wasser haben die Steilküste zerklüftet. Naturgewalten prallen dramatisch aufeinander.
Im schärfsten Widerpart zu diesem spektakulären Naturschauspiel stehen die Gouachen aus Syrien. Eine Palette von Ocker- und Gelbtönen verwandelt unfruchtbare Wüste in ein sinnliches Erlebnis. Hitze und Trockenheit sind förmlich spürbar. In der gleißenden Sonne des Südens verschwimmen die Konturen der Landschaft wie die der Menschen. Sie sind bei Paris nie nur Dekoration. Stolz und würdevoll schreiten seine Frauen und Männer, gehüllt in luftigen, hellen Tüchern, dem Betrachter entgegen. Vor Jahren gemalt, scheint gesellschaftlicher Aufbruch hier prophezeit.
Sattes Grün und erdige Farben wählte der Maler für seine Ahrenshoop-Bilder. Baumwipfel wiegen sich im Ostseewind. Heugarben und abgeerntete Felder strahlen herbstzeitlose Idylle aus. Strohbedeckte Häuser ducken in leicht hügeliger Landschaft ab, als wollten sie eins werden mit dem Land. Zehn Jahre hat der geborene Thüringer in Rostock gelebt.
Auch Paris hat es dem Maler angetan. Das Licht in der Großstadt ist ein anderes als das an der Küste oder in der Wüste, matter und gedämpfter. Man möchte über die massive Steinbrücke schreiten, die sich in fast schwebender Leichtigkeit über die Seine wölbt - um zu schauen, welche Überraschung am anderen Ufer wartet. Und wohin führt die sich durch spärlich bewaldete Felslandschaft schlängelnde Straße, auf deren Asphalt sich der Himmel spiegelt? Nicht nur die Meisterschaft im Umgang mit Lichteffekten verweist auf Vorbilder der italienischen Renaissance wie Caravaggio, die der in Wandmalerei ausgebildete Künstler selbstredend intensivst studiert hat. Auf einem seiner Bilder ist ein sich an der Küste entlang windender Gebirgszug drapiert wie die wallenden Gewänder eines Giottos oder Michelangelos.
Fischerboote in sonnenüberfluteter mediterraner Bucht warten darauf, hinaus aufs Meer gesteuert zu werden. Sodann ist man gefesselt von der souveränen Gelassenheit der jungen Kellnerin im türkischen Café. Sie ist in provozierendem Rosa gekleidet; eine Farbe, zu der Paris selten greift.
Das Bild, das einer Studie in Antalya entsprang, hängt an einer knallgrünen Wand, die den Beginn der Station B markiert. Zum Erstaunen des Künstlers ein gelungenes Wagnis. Es verdankt sich dem in optischen Reize versierten Berliner Galeristen Wilfried Karger. Er hat die Ausstellung in Berlin-Buch möglich gemacht. Und der Chefarzt selbst, Professor Wolf-Dieter Ludwig, ließ es sich nicht nehmen, den Maler persönlich vorzustellen. Dem Spezialisten für Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie ist Paris eine Entdeckung. Wohl kannte und schätzte Ludwig, wie er auf der Vernissage offenbarte, dessen Lehrer Otto Nagel. Name und Werk von dessen Meisterschüler in den 60er Jahren an der Ostberliner Akademie der Künste, der zu einem der bekanntesten DDR-Maler avancierte, war hingegen dem Arzt aus dem Westen nach eigenem Bekenntnis bislang nicht geläufig.
Paris ist ein dem Realismus verpflichteter Maler, dem Gegenständlichkeit und Figuration wichtig sind. Zugleich ist er in Malstil und Formsprache frappierend vielseitig. Sanfte, weiche Pinselführung wechselt sich ab mit kräftigen, leidenschaftlichen, fast wilden Strichen. Zu zarten impressionistischen Andeutungen gesellen sich Wahrnehmungen von überbordender Expressivität.
Was von Paris derzeit in Berlin-Buch zu sehen ist, ist eine freudvolle Kunst. Seine poetischen Vignetten lassen Raum und Zeit vergessen, können in der Tat Hoffnung und Trost vermitteln.
»Ronald Paris. Landschaften«, HELIOS-Galerie, Schwanebecker Chaussee 50, 13125 Berlin, bis 30. April; Eintritt frei.
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