So etwas nimmt Mann doch nicht
Harte Worte in »Fettes Schwein« am Kurfürstendamm
Man traut es dem mit rotzigen Sprüchen ausgestatteten Stück nicht zu, dass es einen am Ende rührt. Das geht auf die Kappe von Andreas Schmidt, der sich als Tom ob seiner eigenen Schwäche windet, dass es zum Heulen ist. Kurzer starker Schluss. Die Komödie am Kurfürstendamm zeigt »Fettes Schwein«. 2004 schrieb der wegen seiner Vorliebe für die Beschreibung schwieriger Beziehungen unbequeme amerikanische Autor Neil LaBute dieses Stück.
Da kommt laut zur Sprache, was sonst hinter vorgehaltener Hand gezischelt wird. Und eben, dass die menschliche Umgebung - oder das, was man dafür hält - zerstören kann, was sie nicht billigt. In diesem Fall ist es die Liebesbeziehung zwischen einem erfolgreichen Mann in den 40ern und einer übergewichtigen Frau. Tom, der in Geschäften unterwegs in der Mittagspause an einem Imbiss landet, trifft dort auf die fröhliche Helen. Neben ihr wirkt er ziemlich vertrocknet, während er da in seinem kalorienarmen Salat herumpickt. Die junge Frau indes hat den Tisch davon voll, was man nicht essen sollte und genießt ihr in seinen Augen fragwürdiges Menü.
Folke Braband, der am Kudamm-Theater Einfühlungsvermögen für starke Frauen auch bei »Ladies Night« bewies, folgt in der Inszenierung der Direktheit des Autors schon in der Besetzung. Marie Schöneburg spielt mit entsprechendem Übergewicht die humorvolle Bibliothekarin. Ihre Bekleidung mit kurzen Hosen und grellen Farben wirkt anfangs grotesk. Polly Matthies - zuständig fürs Kostüm - sorgt aber auf wohltuende Art dafür, dass es nicht zu indiskreten Einblicken kommt.
Schöneburgs Stärken liegen in Fröhlichkeit und Stärke. Überzeugend spielt sie, wie sich die dicke Helen wegen ihrer Wirkung auf andere gewappnet hat. Sie erlebt mit Tom eine Nähe, die sie sich nicht zu Erträumen gewagt hätte. Im Glückszustand legt sie ihren »Schutzpanzer« ab, der vor seelischen Verletzungen bewahrt. Ein warnendes Gefühl ignoriert sie. Dabei bestätigt es sich letztlich. Die Beziehung braucht mehr Kraft als Tom besitzt. Selbst wenn auch er jetzt glücklich ist wie noch nie.
Um das glaubwürdig zu machen, bedarf es nur zwei weiterer Rollen im Stück, die in einer Firma angesiedelt sind. Dort macht Tom Karriere und wird von seiner Exfreundin Jeannie neu begehrt. Nicola Ransom gibt diese Frau, die schlank und schick äußerlich den gesellschaftlichen Normen entspricht, eifersüchtig und herzlos. Sie bringt den Begriff vom fetten Schwein auf, mit dem sich Tom eingelassen hat. Dabei weiß sie, dass die Männer, die sie umgeben, nichts taugen. Riesenbabys in tollen Klamotten seien das. Alles Weicheier.
Für die noch härteren Einschätzungen der Situation gibt es den Kollegen Carter, der sich als Toms Freund versteht. Oliver Mommsen verkörpert ihn nassforsch. Wer nicht so aussieht, wie es sein soll, kann nicht mitmachen im erfolgreichen gesellschaftlichen Spiel, ist seine Devise. Auch für sich. Er schwört auf schöne Fassade, hinter der bei ihm nicht viel zu sein scheint. Bevor er alt wird und auch so aussieht, wird er sich umbringen, tönt er. Doch jetzt geht’s um die Fette. Dauernd bringt er Tom in die Lage, sich verteidigen zu müssen, setzt ihn unter Druck. Carter hat die ganze Palette drauf, mit der man Frauen nach Tauglichkeit gefälligst einzusortieren hat: Frischfleisch, fettes Fleisch, altes Fleisch. So etwas wie die Dicke, hätte man nicht nötig. In der Jugend war ihm seine unförmige Mutter peinlich. So etwas nimmt Mann doch nicht. »Uns steht die Welt offen. Die anderen kriegen den Sondermüll.«
Das Stück kann kein gutes Ende nehmen. Wenn Marie Schöneburg dann Andreas Schmidt nach zwei Stunden auf der Bühne zurücklässt, ist Helens Enttäuschung bei ihr zu sehen. Kein Schmerz. Da ist mehr möglich.
Wieder ab 22.2., 20 Uhr, so. auch 16 Uhr, Komödie am Kurfürstendamm, Kudamm 206, Charlottenburg, Tel.: (030) 88 59 11 88, www.komoedie-berlin.de
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.