Jutta Hoffmann. Die Besondere
Die Frau im Badetuch ist Rosa Luxemburg. Im Zentrum eines heftigen Fahnenschwungs. Das Badetuch erzählt vom Gegenteil aller landläufigen Politik, die ja nichts Privates und Intimes hat. Diese junge Frau ist der lebendige Widerspruch zum Eingeschnürtsein durch eine Funktion. Hier findet ein Dirigat statt in Nähe zur unverstellten Natur: Eine Hand zeigt die Richtung, die andere schützt vor Nacktheit. Blöße zeigen, Blöße verbergen, die zwei Pole der Existenz. Jutta Hoffmann in »Verratenes Volk« von Einar Schleef (2000) am Deutschen Theater Berlin.
Das Foto links: die Hoffmann als Ric in Egon Günthers DEFA-Film »Die Schlüssel« (1974). Neben Jaecki Schwarz spielt sie eine so selbstbewusst Scheue, eine so einnehmend Bescheidene (das Paradoxon als ihr Gestaltungsgeheimnis), ist eine liebenswert Liebende, die in Polen bei einem Unfall stirbt. Regisseur Andrei Tarkowski wird zu Egon Günther sagen: Die Deutschen hätten so viele Polen auf dem Gewissen, dieser schön spröde Film gebe dem polnischen Volk eine Deutsche zurück.
Das Foto rechts: »Geschlossene Gesellschaft« (1978). Der Film von Frank Beyer und Klaus Poche läuft ohne Ankündigung im Abendprogramm des DDR-Fernsehens, wird noch am Sendetag immer weiter in die Nacht geschoben. Ein verwalterisches Bubenstück der Geistverachtung. Eine Ehegeschichte als Parabel, ein Trauerstück aus einem Käfig, die Gitter aus Propaganda und Tristesse. Ein vertraulicher Bericht zur »49. Programmwoche« des Jahres hält fest: »Ein Angriff auf die Politik des VIII. und IX. Parteitages. In dieser Geschichte voller Aggressionen und Brutalität soll der Eindruck erweckt werden, dass bei uns angeblich der Glücksanspruch der Menschen nicht verwirklicht wird.«
Höhepunkt eines Verunglimpfungsplanes, auch gegen Jutta Hoffmann, die vehement die Biermann-Ausweisung abgelehnt hatte (»im Kulturministerium wurde mir gesagt, dass ich mir nicht einbilden müsse, etwas Besonderes zu sein. Also: zurückstutzen!«). Es schien mit einem Mal, als sei diese großartig heitere Zarte, diese sehr wohl Besondere mit Gewalt in die Ära der trauernd-bewundernswerten, zauberhaft reifen und wunden Menschen gestoßen worden, wie sie Tschechow der Welt schrieb. Herb, wissend, aber doch weiter rebellisch hell und leise.
Wenn man diese bezwingend lebensfreie Künstlerin denkt, ist stets beides zu denken: die enorm publikumsbildende und publikumsnahe und publikumsverzaubernde Art ihres Spiels - und jene schikanöse Unkultur, die sie außer Landes, weg von ihrem Publikum trieb. Wolfgang Kohlhaase über ihr Spel: »Es ist wahr, weil es schön ist. Oder ist es schön, weil es wahr ist? Sie spielt eine Handlung und keine Meinung, und ein Publikum kann entdecken, was die Fantasie ihm erlaubt.«
Jutta Hoffmanns künstlerisches Leben wird nun in einem Foto-Textband erzählt, herausgegeben von Peter Warnecke und Birgit Scholz. Der Untertitel ist so schlicht wie gemeißelt: »Schauspielerin.« Schnörkelfrei. Als blicke man in einen Berufsausweis. Das kommt jener Vorstellung vom Künstler nahe, wie sie Einar Schleef hatte: nach Probe oder Aufführung ausgelaugt wie ein Schichtarbeiter in der Straßenbahn zu sitzen. Gutes Leben ist stets auch: Raubbau am Leben, zugunsten einer Gabe. So entstehen Schöpfungen. Und so entstand auch die Hamburger Professorin für Schauspielkunst Hoffmann, die weitergab, was sie stets gelebt hat.
Was immer sie spielt, da ist über allem Geschminktsein der Profession ein nicht wegwischbarer Glanz Gewissen, ein Aufleuchten gerechter Sinnesart, kitzelnde Anzapfung des Biederen. Der Weltenlauf konnte ihre Gestalten stören, quälen, vernichten, er konnte ihnen nicht nehmen, sie selber zu werden. Eine Besondere!
Jutta Hoffmann. Schauspielerin. Hrsg. von Peter Warnecke und Birgit Scholz im Auftrag des Filmmuseums Potsdam. Verlag Das Neue Berlin. 192 S., geb., 19,95 Euro
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