Alter Mann im dritten Frühling

Der 40-jährige Chris Horner überrascht bei der Rundfahrt Tirreno-Adriatico mit bestechender Spätform

  • Tom Mustroph, Offida
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Hänge in den Marken sind schneebedeckt. Diese Wintergrüße hielten den 40-jährigen US-Amerikaner Chris Horner nicht davon, sich wie im dritten Frühling zu fühlen und zehn Jahre jüngeren Radprofis bei der Rundfahrt Tirreno-Adriatico das Hinterrad zu zeigen. Aber der alte Armstrong-Kompagnon macht es spannend. Fünf Sekunden liegt Chris Horner vor dem Tschechen Roman Kreuziger (Astana), sechs Sekunden vor Vincenzo Nibali (Italien).

In das abschließende Zeitfahren am heutigen Dienstag geht Horner voller Optimismus. »Wenn ich hier die Jungen auf Distanz halten kann, wäre dies mein zweitschönster Karriereerfolg nach dem Gewinn der Baskenlandrundfahrt«, meinte der Radioshack-Profi. Seine späte Hochform begründet er mit ganz einfachen Dingen. »Ich trainiere, ich esse, ich schlafe. Und ich habe es gelernt, Nein zu sagen«, meinte er.

Das »Nein« richte sich vorwiegend an Familie, Freunde und Sponsoren. Denn deren Anfragen könnten einen alten Mann wie ihn sehr schnell vom Training abhalten, verriet er gut gelaunt. Ob er sonst irgendwelche Anti-Aging-Mitteln zu sich nimmt, wollte er nicht kommentieren.

Den Etappensieg auf dem 181 km langen Rundkurs um Offida holte sich am Montag der Spanier Joaquim Rodriguez. Der Katusha-Mann setzte sich einen Kilometer vor dem Ziel ab und landete damit den Erfolg, den man ihm aufgrund seiner Spurtstärke am Berg eigentlich schon bei den Etappen vier und fünf am Wochenende zugetraut hatte.

Hinter ihm setzte sich mit dem 36-jährigen Danilo Di Luca ein weiterer Oldie in Szene. Di Luca konnte Rodriguez aber nicht mehr erreichen. Gleich dahinter unterstrich Vincenzo Nibali, dass sich die Jungen nicht aufs Dreirad zurückschicken lassen wollen. Er holte als Tagesdritter noch eine Zeitgutschrift von vier Sekunden und rückte dem Gesamtführenden Horner damit immer näher.

Nibali, die neue Rundfahrthoffnung der Italiener, war insgesamt der bestimmende Mann bei den drei schweren Etappen des Tirreno. Er war am Samstag und am Montag Dritter und gewann die Königsetappe am Sonntag. Dieser Sieg bereitete ihm doppelte Genugtuung, denn er konnte damit auch die Hierarchie im Team Liquigas wieder herstellen. Mannschaftskollege Peter Sagan (Slowakei) hatte zuvor seinen Kapitän einfach überspurtet und musste sich böse Worte gefallen lassen. Sagan, eigentlich ein Sprinter, rückte mit seinem Coup am Samstag, als er eine ganze Gruppe starker Bergfahrer schlug, in die Favoritenrolle für den Klassiker Mailand - Sanremo am Samstag.

»Er hat alle schwer beeindruckt. In dieser Form ist er der Mann, den es zu schlagen gilt«, meinte auch Deutschlands Sprinthoffnung André Greipel. Der Rostocker, der beim Tirreno nicht wie erhofft zum Zuge kam - nur ein zweiter Platz hinter dem Norweger Boasson Hagen auf der dritten Etappe - rechnet sich selbst einiges bei der Classicissima aus. »Erstmals verlief meine Vorbereitung vor Mailand - Sanremo ganz ohne Probleme. Ich fühle mich gut«, sagte der Lotto-Mann gegenüber »nd«.

Schlecht hingegen fühlt sich so mancher beim Team Saxobank. Der dänischen Rennstall, dem wegen der Dopingsperre Alberto Contadors ein Verlust aller von dem Spanier errungener Punkte und damit die Herabstufung aus der Pro Tour droht, fuhr beim Tirreno nur hinterher. Null Punkte und null Siege stehen beim einstigen Toursiegerteam in diesem Jahr zu Buche. Frühlingsgefühle sind hier nicht in Sicht.

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