Schlecker-Mitarbeiter im Ungewissen II

2000 Filialen muss Schlecker schließen. Oft liegen die Geschäfte in sozialen Brennpunkten

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Nun ist es raus: Die insolvente Drogerie-Kette Schlecker macht 2000 Filialen dicht; davon allein 77 in Berlin. Die betroffenen Mitarbeiter wissen zwar, dass ihr Laden schließen wird. Aber was aus ihnen werden soll, wissen sie noch nicht.

»30 Prozent auf alles!«, verspricht das rote Werbebanner am Schaufenster der Schlecker-Filiale in der Sonnenallee. Hier im Berliner Problemkiez Neukölln sollen gleich neun Schlecker-Märkte schließen. In der Sonnenallee trifft es gleich drei.

In Neukölln zeigen sich auch die beiden Hauptprobleme des ins Straucheln geratenen Drogerie-Discounters: Zum einen das viel zu dichte Filialnetz. In der Sonnenallee machen sich gleich drei Märkte gegenseitig Konkurrenz. Kein Wunder, dass einige Standorte Monatsumsätze von weniger als 20 000 Euro erzielt haben sollen.

Zum anderen zeigt die starke Präsenz Schleckers im sozialen Brennpunkt Neukölln auch exemplarisch, dass sich der Discounter stets auch dahin wagte, wo andere Drogeriemärkte nicht zu finden waren - nämlich in die sozial benachteiligten Stadtteile. Im Laden in der Sonnenallee 39 geht es hoch her: Der 30-prozentige Rabatt auf beinahe alle Artikel hat viele Kunden in den Markt gelockt. An der Kasse wartet eine lange Schlange. Dementsprechend kurzatmig reagiert die Verkäuferin auf die Frage nach der Zukunft. »Wahrscheinlich werde ich arbeitslos, unser Laden macht schon übernächsten Sonnabend dicht«, presst die gehetzt wirkende Frau hervor. Sozialplan oder Transfergesellschaft? Dass wisse sie nicht, so die Angestellte. »Eine offizielle Kündigung habe ich bisher nicht erhalten«, sagt sie und widmet sich wieder den Schnäppchenjägern an ihrer Kasse.

Ein paar Hausnummern weiter findet sich schon die nächste Schlecker-Filiale. Auch hier sind die Regale beinahe leergekauft. Die meisten Kunden haben einen Migrationshintergrund. Man berät sich vorzugsweise auf Türkisch. Die Frage nach der Zukunft wird vom Personal nur mit Achselzucken beantwortet. Den Schließungstermin wisse man, so eine Angestellte. »Doch was aus uns wird, wissen wir noch nicht.«

Am Donnerstag waren etwa 400 Schlecker-Mitarbeiter vor das Rote Rathaus der Hauptstadt gezogen. »Wir lassen uns nicht verramschen«, konnte man da auf den Hemden der überwiegend weiblichen Demonstranten lesen. Vor dem Rathaus entrollten sie ein Spruchband: »Schlecker-Frauen kämpfen um ihre Zukunft.« Doch derzeit kämpfen die Frauen vor allem mit dem Ansturm auf ihre Läden. »Erst mal muss ich diesen Tag überstehen, dann sehe ich weiter«, entschuldigt sich eine Mitarbeiterin an der Kasse. Ein Stückchen weiter, am Kottbusser Damm, hat man noch Hoffnung. Zwar weiß die Angestellte auch hier schon, dass die Filiale schließen wird. »Aber solange ich nicht gekündigt bin, ist alles möglich. Auch das ich in einem anderen Schlecker-Laden unterkomme.«

In Berlin arbeiten derzeit noch 800 Menschen für den Drogerie-Discounter. Zumindest wissen sie nun, welche Filialen geschlossen werden: Die betroffenen Märkte wurden per Fax unterrichtet: »Wir müssen Ihnen heute leider mitteilen, dass Ihre Verkaufsstelle nach vorläufigem Stand zum 24. März 2012 geschlossen wird.«

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