UN-Beobachter nach Syrien
Vermittler Annan will Friedensplan durchsetzen / Skepsis im Westen
Kofi Annan hatte gehandelt, wie es einem cleveren Diplomaten gebührt: Wenig Wasserstandsmeldungen über die zahlreichen Einzelgespräche, aber wenn die notwendigen Zusagen vorliegen, wird kompakt informiert, auch über die nächstfolgenden Schritte.
Am Montagabend hatte der UN-Sondergesandte den Sicherheitsrat darüber in Kenntnis gesetzt, dass Syriens Präsident Baschar al-Assad eingewilligt habe, per 10. April einen Waffenstillstand zu akzeptieren, die Armee mit ihren schweren Waffen aus den Provinzhauptstädten abzuziehen und internationale Beobachter ins Land zu lassen. Der letzte Punkt war der syrischen Führung wohl am unangenehmsten. Sie bestand lange darauf, den Friedensplan »mit eigenen Kräften« kontrollieren zu wollen. Darauf war Annan nicht eingegangen.
In den westlichen Staaten ist Annans Diplomatievorstoß ausgesprochen kühl aufgenommen worden. Spitzenpolitiker äußerten sich vorerst gar nicht. Die zweite Reihe beschränkte sich darauf, Zweifel ob der Aufrichtigkeit Assads zu äußern, ohne den Plan Annans wenigstens im Grundsatz zu begrüßen.
Die Präsidentin des UNO-Sicherheitsrates, in diesem Monat US-Botschafterin Susan Rice, zeigte sich mehr als zurückhaltend. »Wir haben schon viele Versprechen gehört, und viele wurden gebrochen«, kommentierte sie nach der Sitzung Annans Mitteilung über die syrische Zusage. »Deshalb bleiben wir misstrauisch.« Der deutsche UN-Botschafter Miguel Berger sprach immerhin von einem Erfolg, um dann hinzuzufügen: »Vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen müssen wir allerdings vorsichtig sein - noch dauert die Gewalt an.«
Zumindest für den gestrigen Dienstag traf das zu. In Inchel in der südlichen Provinz Daraa lieferten sich Armee und desertierte Soldaten Gefechte, wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Ihr zufolge brannten Soldaten Häuser nieder und zerstörten Lebensmittelvorräte. Die Regierung weist dies als unwahr zurück. Kämpfe und Festnahmen soll es auch in den Provinzen Damaskus und Idlib gegeben haben.
Einmal mehr fällt auf, dass die Opposition weder von den USA noch von Deutschland zu einer Waffenruhe aufgerufen worden ist. Während es in Damaskus bei symbolischen Straßenblockaden blieb, wurde in der zweitgrößten Stadt Aleppo von Bewaffneten ein Unternehmenssitz angegriffen, wobei mehrere Beschäftigte getötet wurden.
Vorzeichen eines Scheiterns müssen das nicht unbedingt sein. Es ist nicht ungewöhnlich, dass vor dem Inkrafttreten einer Waffenruhe die Konfliktparteien ihre Ausgangspositionen verbessern bzw. mit spektakulären Aktionen aufwarten wollen. Kommentar Seite 4
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