SPD geht auf Distanz zu Grass

Sozialdemokraten wollen keine Wahlkampfhilfe mehr vom Schriftsteller

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 2 Min.
Viele Jahrzehnte hatte Günter Grass die SPD in Wahlkämpfen unterstützt. In der Partei mehren sich nun im Zuge der Debatte um das Gedicht »Was gesagt werden muss« die Stimmen, die künftig auf den Autor verzichten wollen.

Die SPD erwägt offenbar, den Schriftsteller Günter Grass aus ihren künftigen Wahlkämpfen zu verbannen. »Die Frage von Wahlkampfunterstützungen hat sich mit dem Gedicht zu Israels Atompolitik erledigt«, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Christian Lange, der »Welt«. Grass hatte in seinem Text die Frage aufgeworfen, ob die Atommacht Israel den Weltfrieden gefährde und mit einem Erstschlag das iranische Volk auslöschen könnte.

Juso-Chef Sascha Vogt erklärte gegenüber »nd«, mit seinen Aussagen habe Grass die SPD-Positionen verlassen, deswegen stelle sich die Frage seiner Unterstützung derzeit nicht. »Das Gedicht - wenn man es so nennen kann - ist unterirdisch. Darin gibt es eine einseitige Schuldzuweisung gegen Israel. Schließlich ist es doch noch immer Ahmadinedschad, der mit Atomwaffen Israel vernichten will«, so Vogt. Auch sieht er Grass »anschlussfähig an antisemitische Äußerungen«.

Antisemitismusvorwürfe gegen Grass wies dagegen der Sprecher der SPD-Linken im Bundestag, Ernst Dieter Rossmann, scharf zurück. »Grass hat immer wieder betont, dass er uneingeschränkt für das Existenzrecht Israels ist«, sagte er im Gespräch mit »nd«. Das Gedicht sei aber wegen seiner Emotionalität nicht hilfreich für die notwendige seriöse Diskussion über den Nahostkonflikt, sondern bewirke das Gegenteil. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse hält einen vorzeitigen Ausschluss von Grass aus den SPD-Wahlkämpfen »nicht für sonderlich sinnvoll«. Vielmehr solle man mit ihm »in der Sache streiten«, sagte Thierse im »Deutschlandfunk«.

Zudem ist es fraglich, ob Grass überhaupt dazu in der Lage wäre, die SPD bei Wahlkämpfen weiterhin so tatkräftig wie einst zu unterstützen. Im letzten Jahr hatte das frühere Parteimitglied deutlich gemacht, er könne ähnliche Touren wie früher aufgrund seines fortgeschrittenen Alters von 84 Jahren »nicht mehr schaffen«.

In Israel fordert derweil der Verband hebräischsprachiger Schriftsteller Kollegen weltweit zur Ablehnung von Grass' Thesen auf. »Wir sind erschüttert angesichts der beschämenden und unmoralischen Äußerungen, die darauf abzielen, Israel und dem jüdischen Volk die Legitimation abzusprechen«, sagte Verbandspräsident Herzl Hakak der AFP. Der Verband will sich auch an die Schriftstellervereinigung PEN und an das Nobel-Komitee wenden. Die Schwedische Akademie sieht indes keinen Anlass, Grass den 1999 verliehenen Literaturnobelpreis abzuerkennen.

Entgegen der parteiübergreifenden Kritik am israelischen Einreiseverbot gegen Grass sagte FDP-Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel der »Leipziger Volkszeitung«: »Israel hat jedes Recht der Welt, ehemalige SS-Leute nicht ins eigene Land zu lassen.«

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