AKW-Rückbau kostet Milliarden
Greenpeace: Fonds soll Rückstellungen der Atomkonzerne vor Bankrottrisiko sichern
In Stade an der Elbe, in Würgassen (Nordrhein-Westfalen) und in Mülheim-Kärlich am Rhein läuft der sogenannte Rückbau der Atomkraftwerke bereits, im Osten Deutschlands ist er so gut wie beendet. Ziel ist gewissermaßen die sprichwörtliche grüne Wiese. Für den Rückbau aller westdeutschen Atomkraftwerke haben die vier großen Energiekonzerne EnBW, E.on, RWE und Vattenfall bisher mehr als 30 Milliarden Euro Rücklagen gebildet. Für Rheinsberg in Brandenburg und Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern mussten die Steuerzahler aufkommen.
Ähnliches befürchtet die Umweltorganisation Greenpace für die Zeit nach der Stilllegung der letzten AKW im Jahre 2022. Eine aktuelle Studie von Greenpeace und dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) sieht einen deutlichen finanziellen Mehrbedarf für nichtvorhersehbare Risiken wie den Ausfall eines bereits genutzten Endlagers für Atommüll oder Verzögerungen bei der Suche nach Endlagern. Für den Rückbau der AKW und die Entsorgung des Atommülls werden laut Studie mindestens 34 Milliarden Euro benötigt, dazu käme noch eine Risikorücklage von ca. 10 Milliarden. Darüber hinaus sieht die Studie zusätzliche Probleme für die Finanzierung, wenn die Rücklagen wie bisher komplett bei den Energiekonzernen verbleiben. Denn deren einseitige Ausrichtung auf die wenig zukunftssichere Stromerzeugung aus Kohle und Kernenergie mache sie zu einer langfristig recht unsicheren Anlage, erklärt der frühere Fondsmanager Thomas Breuer, der bei Greenpeace den Energiebereich leitet. Im Falle einer Firmenpleite sieht Greenpeace die Gefahr, dass der Staat die Kosten übernehmen müsste. Früher, so Breuer, seien die Aktien von RWE & Co eine typische Empfehlung für die Absicherung von Renten gewesen, doch seit dem Atomausstieg ist die wirtschaftliche Zukunft durchaus gefährdet. Das »Handelsblatt« berichtet von der Gefahr einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit der großen Vier. »Die turbulente Wertentwicklung der Aktien an den Wertpapierbörsen zeigt, dass es sich bei den Energiekonzernen um hochspekulative Unternehmen handelt«, meint Breuer.
Deshalb schlägt die Studie vor, die Rückstellungen ab 2015 stufenweise in einen öffentlich-rechtlichen Fonds einzuzahlen, der die langfristig anfallenden Kosten von AKW-Rückbau sowie Zwischen- und Endlagerung des Atommülls decken soll. Nach Ansicht der Hauptautorin der Studie, Bettina Meyer von der FÖS, sei das ohne zusätzliche Belastung der Unternehmen mit den bis dahin angesammelten Rückstellungen möglich, wenn die Energiekonzerne für ihre Rückstellung wenigstens zwei Prozent Rendite erwirtschaften. Genauere Abschätzungen sind laut Meyer jedoch erst dann möglich, wenn die Konzerne die Transparenz über ihre Rückstellungen deutlich verbessern, und die pro Kraftwerk und differenziert nach den unterschiedlichen Verpflichtungen darstellen.
Die Lobby-Organisation der Branche, das Deutsche Atomforum, wies unterdessen die Befürchtungen von Greenpeace zurück. Die Kostenübernahme für den Ausstieg sei ausreichend durch das Atomgesetz geregelt.
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