Es geschah an einem lebhaften Markttag
Vor 75 Jahren: Die Nazi-Luftwaffe übt das Terrorbombardement am baskischen Gernika ein
Pablo Picasso hat es mit einem seiner berühmtesten Bilder für immer in das Gedächtnis der Welt eingeprägt: Am 26. April 1937 zerstörten deutsche Flugzeuge zusammen mit italienischen mitten im spanischen Bürgerkrieg die baskische Kleinstadt Gernika (span. Guernica). Diese bis dahin in Europa noch unbekannte Art der Kriegsführung aus der Luft gegen ungeschützte Zivilisten wurde zu einer Generalprobe für das, was dann ab 1939 ablief.
Im Juli 1936 hatte das Militär gegen eine nach Wahlen sechs Monate zuvor zustande gekommene linke Regierung geputscht. Nachdem der Aufstand in den ersten Tagen fast schon niedergeschlagen war, gelang es seinem Anführer, General Franco, sich der Unterstützung Hitlers und Mussolinis zu versichern. Für den angestrebten Krieg um die Vorherrschaft in Europa sollte eine pro-faschistische Regierung in Spanien eine vorteilhafte strategische Ausgangslage schaffen. So lief schon nach wenigen Tagen eine ständig wachsende Unterstützung an, während die Westmächte, insbesondere Großbritannien, aus Angst vor der Linken wegschauten.
Kernstück der deutschen Hilfe war die Entsendung einer Luftstreitmacht. Ihr wurde der Name Legion Condor gegeben. Das war ursprünglich als Tarnung gedacht, doch in der Realität war diese völkerrechtswidrige Intervention schnell bekannt. Die Republik dagegen verfügte nicht über eine bedeutende Luftwaffe. Nur die Sowjetunion lieferte im Herbst 1936 zunächst ihre modernsten Flugzeuge, die beim Einsatz in der Schlacht um Madrid im November die Lufthoheit der Franco-Truppen verhinderten, setzte das aber ab Frühjahr 1937 nicht mehr fort. Schon in Madrid kam es zu ersten Bombenangriffen auf die Zivilbevölkerung, was aber noch als Bestandteil eines Kampfschauplatzes wahrgenommen wurde.
Nachdem die Eroberung von Madrid im Frontalangriff gescheitert war, verlagerten sich die Kämpfe in den Norden. Dort hatte sich die Republik im Baskenland und Asturien behaupten können. Hier lagen wichtige Bodenschätze, Kohle und vor allem Eisenerz, an denen auch Nazi-Deutschland für seine Aufrüstung stark interessiert war. Im April 1937 begann die Offensive in Richtung auf die baskische Hauptstadt Bilbao. Sie gestaltete sich jedoch aufgrund des gebirgigen Geländes nicht einfach. Zur Begleitung setzte eine Propagandakampagne ein, die darauf abzielte, die Moral der Bevölkerung durch Terrordrohungen zu untergraben. Vor allem aber wurde die Lufthoheit ausgenutzt.
Gernika, etwa dreißig Kilometer östlich von Bilbao gelegen, ist ein kleines Städtchen mit damals um die 5000 Einwohnern. Die Bedeutung der Stadt war vor allem historisch und kulturell. Hier steht das Nationalsymbol, die Eiche, unter der traditionell der Schwur auf die baskische Eigenständigkeit vor der Provinzversammlung abgelegt wurde. In diesen Apriltagen hielten sich in der Stadt allerdings auch viele Soldaten und Flüchtlinge auf. An jenem Montag war zudem auch der traditionelle Markttag.
Nach 16 Uhr begann das Bombardement der Stadt in mehreren Angriffswellen. Ein Großteil der Gebäude ging in Flammen auf. Die begleitenden Jagdflugzeuge schossen erbarmungslos auf die vor den Bomben und der dadurch ausgelösten Feuerbrunst Flüchtenden. Es gab mehrere Hundert Tote, deren genaue Anzahl aber wohl nie wegen der vielen nicht namentlich erfassten Flüchtlinge festgestellt werden konnte, so dass die ersten Schätzungen von weit über Tausend Toten vermutlich zu hoch gegriffen sind.
Vor allem durch die Bemühung eines britischen Journalisten, George Steer, der nach den ersten Meldungen sofort aus Bilbao herbei eilte und für die eigentlich eher pro-Franco eingestellte Londoner Times arbeitete, ging sofort der Bericht von der ersten systematischen Einäscherung einer Stadt durch einen Bombenteppich um die Welt. Das war für Franco ein unbeabsichtigtes Publicitydesaster. Sofort setzten seine Propagandisten Lügen in die Welt. Die »Roten« hätten die Stadt selbst angezündet, um dann sie beschuldigen zu können. Später hieß es, und an dieser Legende strickten auch die Verteidiger einer »im Grunde sauberen Wehrmacht« mit, die Vernichtung der Stadt habe man so nicht beabsichtigt. Das Ziel sei militärisch gewesen: Die Zerstörung der Brücke über den Fluss am Rande der Stadt. Doch genau auf diese leicht erkennbare Brücke war keine einzige Bombe geworfen worden.
Auch in der Bundesrepublik ist lange dieser Mythos verbreitet worden, wenn man nicht gleich die ganze Verantwortung auf Franco und sein Militär abschob. Nicht ohne Grund: Ging es doch um Kontinuitäten von der Legion Condor über die Luftwaffe des Zweiten Weltkriegs bis hin zur Bundeswehr. Erst zum sechzigsten Jahrestag der Bombardierung konnte eine Mehrheit der Bundestagsparteien nach langjährigen Kampagnen von Bürgerinitiativen erreichen, dass jede Form von ehrendem Gedenken an Angehörige der Legion Condor rückgängig zu machen sei. Doch bis 2005 wurde im Fall von Hitlers höchstdekoriertem Jagdflieger Werner Mölders dieser Beschluss mit der fadenscheinigen Begründung verzögert, er sei erst nach 1938 zur Legion gekommen und also nicht an Gernika beteiligt gewesen.
Wohl nicht überraschend sind 1945 die offiziellen Dokumente der Legion Condor weitgehend vernichtet worden. Doch neuere Aktenfunde, vor allem durch Bemühungen des als Organisators der ersten Wehrmachtsausstellung bekannt gewordenen Hannes Heer, zeigen inzwischen immer deutlicher, dass dieses Bombardement als ein Testlauf für das Vorgehen der deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg zu verstehen ist, die etwa mit den Bombardierungen Warschaus, Rotterdams oder Belgrads den Angriff auf die entsprechenden Länder einleitete. In Fortentwicklung der Theorien des italienischen Luftkriegstheoretikers Giulio Douhet sollten solche strategische Luftangriffe die Moral der Zivilbevölkerung durch Bombenterror brechen. Gernika war die erste Stadt, bei der das umgesetzt wurde.
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