Bei Oskar jubeln sogar die Schwaben

Lafontaine gibt beim Landesparteitag der baden-württembergischen LINKEN die Linie vor

  • Gesa von Leesen, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Oskar Lafontaine ist überraschend beim Landesparteitag der LINKEN am Wochenende in Stuttgart aufgetreten, um die angekündigte Sahra Wagenknecht zu vertreten. Die Vize-Parteivorsitzende war laut Lafontaine erkrankt. Mit seiner Rede wusste der Saarländer die 200 Delegierten zu begeistern.

Der Auftritt Oskar Lafontaines dürfte dafür gesorgt haben, dass viele der Delegierten den ansonsten unspektakulären baden-württembergischen Landesparteitag der LINKEN lange in Erinnerung behalten werden. Im Grunde standen auf dem Programm vor allem Formalia wie Satzungsänderungen und die Wahl der Delegierten für den Bundesparteitag in vier Wochen. Die politische Auftaktrede des Landessprechers Bernd Riexinger fand zwar Zustimmung, doch Begeisterung konnte der Stuttgarter ver.di-Geschäftsführer nicht auslösen. Nach der verlorenen Landtagswahl im vorigen Jahr, bei der die LINKE nur 2,8 Prozent der Stimmen erreichte, dienten Riexingers Ausführungen in erster Linie der Selbstvergewisserung. Die neue grün-rote Landesregierung habe wenig Gutes vorzuweisen, meinte er. So sei nichts vom SPD-Wahlversprechen für kostenlose Kita-Plätze übrig geblieben. Die neue Schulpolitik mit der Einführung der Gemeinschaftsschule sei halbherzig, da dort nicht von Anfang an das Abitur vorgesehen sei. Und gegen prekäre Arbeitsverhältnisse, die auch im reichen Baden-Württemberg ständig zunähmen, tue die neue Landesregierung ebenfalls nichts. Mit landesweiten Kampagnen zu kostenlosen Kita-Plätzen, einer besseren Krankenhausfinanzierung und gegen die derzeitige Europapolitik werde die Partei sich wieder ins öffentliche Bewusstsein bringen, erklärte Riexinger. Die Delegierten wirkten nach der Rede recht zufrieden.

Und dann kam Oskar Lafontaine. Er nahm Aufstellung am Rednerpult im dunkel getäfelten Saal des Stuttgarter Gewerkschaftshauses und legte los. Erst gegen die Medien, die behaupteten, die LINKE bräuchte man nicht mehr, weil alle anderen Parteien jetzt links geworden seien. »Aber was ist links?« rief Lafontaine. Von Leiharbeit zu reden, aber sie nicht zu bekämpfen, sei nicht links. Kriegseinsätze zu genehmigen, sei nicht links und die Sparpolitik erst recht nicht. Lafontaine handelte die bewährten linken Themen ab: Leiharbeit, Hartz IV, ungerechte Verteilung von Reichtum. Die SPD wurde abgekanzelt für ihre Agendapolitik, von der sie sich bis heute nicht gelöst habe, Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde bescheinigt, dass sie nichts von Finanzpolitik verstehe.

Im Mittelpunkt stand die Europapolitik, die als Spardiktat die Demokratie untergrabe. Manche begännen, dies zu begreifen. So habe in Frankreich »mein Freund«, der linke Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon. ein zweistelliges Wahlergebnis erzielt: »Weil er eine klare Sprache spricht!« Staccatohaft und ohrenbetäubend hämmerte Lafontaine seine Botschaft ins Mikrofon. »Wir sind das Sprachrohr der Unterdrückten. Wir müssen eine eindeutige und klare Sprache sprechen!« Der Saal tobte. Lafontaine wurde leise, erklärte, warum die LINKE von der Krise nicht profitiert, obwohl sie doch die richtigen Antworten habe. »So lange Menschen in autoritären Strukturen wie Leiharbeit oder Hartz IV leben, können sie nicht das Bewusstsein ausbilden, um Demokratie einzufordern«, erklärte der Saarländer. Als Kinder ihrer Zeit seien auch Linke selbst im neoliberalen Zeitgeist gefangen. »Aber ich will Euch nicht entmutigen. Wir müssen wahrhaftig sein und klar die Dinge benennen, auch wenn sie unpopulär sind.«

Zum Schluss gab es noch ein Schlenker zur LINKEN: »Es kann nicht sein, dass wir diese Themen liegenlassen und uns endlos in Personalgequatsche verlieren! Diejenigen, die damit immer wieder anfangen, frage ich: Habt Ihr sonst keine Idee?« Applaus, Applaus und beseelte Gesichter.

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