Drei Häuser für Heinrich Lübke
Sauerland ehrt umstrittenen Präsidenten
Das Sauerland, landschaftlich reizvoll im Mittelgebirge gelegen, wirkt nicht auf jedermann gleich anregend. Im Arnsberger Sauerlandmuseum, einst Residenz einer kurfürstlichen Mätresse, werden leere Bierflaschen und Schützenfest-Uniformen ausgestellt. KPD-Gründer Karl Liebknecht begann in der Beamtenstadt 1894 sein Rechtsreferendariat, soll depressiv geworden und erst nach Versetzung wieder aufblüht sein. Die Politiker Friedrich Merz (CDU) und Franz Müntefering (SPD) stammen aus dem Sauerland. Und Heinrich Lübke, freundlich formuliert umstrittener zweiter Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Noch heute tragen drei Gebäude den Titel »Heinrich-Lübke-Haus«. Und das im Umkreis weniger Kilometer.
Da ist zunächst die Geschäftsstelle des CDU-Kreisverbandes Hochsauerlandkreis, befindlich in der Mescheder Le-Puy-Straße. Auch des Christdemokraten Geburtshaus trägt den Namen des ehemaligen Staatsoberhaupts. Und fungiert seit 1975 als gleichsam offizielle Lübke-Gedenkstätte. In Günne, oberhalb des Möhnesees, dient »Heinrich-Lübke-Haus« Nummer drei als Bildungs- und Erholungsstätte der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB). Reklameslogan: »Gönne Dir Günne«.
Gleich drei Heinrich-Lübke-Häuser? Anderenorts verfügt der 1972 Verstorbene über einen eher bescheiden guten Ruf. Politischen Kommentatoren gilt Lübke als - so exemplarisch der »Zeit«-Journalist Robert Leicht - »schwaches Staatsoberhaupt«. Legendär sind Lübkes reale (»Equal goes it loose!«, soll heißen: Gleich geht es los!) und vermeintliche verbale Ausrutscher (»Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger!«).
Von Linken wurde Lübke schlicht als »KZ-Barackenbaumeister« tituliert - eine perfide DDR-Kampagne, wie mitunter noch heute behauptet wird? Jens-Christian Wagner, Leiter der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, weiß es besser. »Lübke war als Repräsentant der Baugruppe Schlempp oberster Bauleiter in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf Usedom«, so der Historiker. »Fest steht, dass er mindestens 1943, vermutlich aber bis 1945 die Verantwortung für den Einsatz von KZ-Häftlingen hatte.« Zudem sei Lübke im letzten Kriegsjahr im obersten Leitungsgremium der deutschen Rüstungsindustrie tätig gewesen.
Ob Lübke als Namenspatron tauge? Wagner schüttelt den Kopf: »Die Benennung eines Hauses oder einer Institution nach einer historischen Persönlichkeit ist immer eine Form der Ehrung mit appellativem Charakter: Handelt nach seinem Vorbild!« Doch selbst wenn man Lübkes Vita differenziert betrachte (»Lübke war auch NS-Opfer«), sei der Politiker »sicherlich nicht als Vorbild für nachfolgende Generationen geeignet«. Wagner fordert eine kritische Auseinandersetzung mit Lübkes Leben vor Ort: »Sie sollte auch dann erfolgen, wenn man sich von dem Namen trennt.«
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