Strategie für Karawanenwege
Das Reisen auf den Pfaden der Seidenstraße soll leichter werden
Ihre Geschichte reicht bis in die Bronzezeit, Alexander der Große kannte sie und Marco Polo bereiste sie: Das verzweigte Routensystem der Seidenstraße misst 12 000 Kilometer und ihre Hauptroute verbindet Ostasien mit dem Mittelmeer. Kostbarkeiten wie Seide, Gold, Edelsteine und Gewürze fanden ihren Weg durch Wüsten, über atemberaubende Bergpässe und passierten Städte mit exotisch klingenden Namen: Samarkand, Osch oder Balasagun.
Für die Silk-Road-Verantwortliche der Welttourismusorganisation UNWTO, Alla Peressolova, ist die Seidenstraße ein Mysterium voller Romantik. »Denn jeder rätselt, was und wo die Seidenstraße eigentlich ist. Sie bietet unzählige Ziele und steckt voller uralter Erzählungen - und Touristen wollen Geschichten hören.« Auf dem Silk-Road-Gipfel der diesjährigen ITB wiegt ein weiterer Aspekt schwer. Die antiken Karawanenwege bergen eine Leitidee, die niemals alt wird: Sie verbinden Menschen und Nationen und transportieren neben Waren auch Kultur, Philosophie und Religion.
Doch so groß die Faszination der Seidenstraße auch ist, Touristen stoßen auf ihren Routen auf so manches Hindernis. Die Liste der Schwierigkeiten, die der Chef eines usbekischen Reiseunternehmens beklagt, ist lang: Jedes einzelne Land verlange ein eigenes Visum, die Visa-Gebühren seien viel zu hoch, die Wartezeiten extrem lang, an den Grenzen gebe es keine Touristenschalter und die Infrastruktur - von der Toilette bis zum Billigflieger - sei schlichtweg ungenügend. Um solch dringende Fragen zu lösen, wollen sich alle betroffenen Länder vernetzen.
Der Vorsitzende der Vereinigung tadschikischer Reiseunternehmer, Fattoh Nabievich Faizullaev, plädiert für eine Schirmorganisation in Form einer zentralasiatischen Tourismusgemeinschaft, um derartige Hürden aus dem Weg zu räumen. »Wir brauchen beispielsweise ein Touristenvisum für alle zentralasiatischen Länder und das müssen die Reisenden innerhalb von zwei Tagen in den Händen halten«, fordert er eindringlich.
Die alten Karawanenstraßen sollen mittels Markenidentität, Logo und Website für aktuelle Werbestrategien und Netzgewohnheiten kompatibel gemacht werden. Zumindest sieht das der UNWTO-Aktionsplan für die Jahre 2012/13 so vor. Zusätzlich entwickeln UNWTO und eine führende Hotelfachschule im schweizerischen Lausanne in einem Think Tank Strategien, wie man das touristische Potenzial der Seidenstraße entwickeln kann. Eine Silk-Road-Task-Force der UNWTO, bestehend aus Vertretern nationaler Touristenorganisationen, UN-Agenturen und der Privatwirtschaft, hilft dabei das ambitionierte Programm umzusetzen. »Wir wollen, dass die Seidenstraße überall als Produkt wahrgenommen wird«, erklärt Alla Peressolova. »Die Task-Force ist die vermittelnde und treibende Kraft für unseren Aktionsplan.«
Bei so viel Professionalität fragt man sich unwillkürlich, ob die Seidenstraße nicht an abenteuerlichem Charme verlieren wird. Doch der eigentlich wunde Punkt des Unternehmens ist bislang die Finanzierung. Allein die geschätzten Kosten für eine Wettbewerbsanalyse und das Handwerkszeug fürs Marketing liegen bei rund 65 000 Euro - und das ist erst der Anfang. Doch Alla Peressolova ist zuversichtlich: »Würden alle Mitgliedsländer 10 000 Euro beisteuern, könnte man damit schon eine Menge erreichen.«
Am UNWTO-Vielländer-Projekt sind 28 Länder beteiligt: von Kroatien über Griechenland, Ägypten, Irak, Iran, den neun zentralasiatischen Staaten, über Korea, China bis nach Japan. Auch einige Staaten, die strikt wissenschaftlich betrachtet noch keine Beweise haben, dass sie zum antiken Routensystem der Seidenstraße gehören, sind mit von der Partie. Doch Taleb Rifai, UNWTO-Generalsekretär, freut sich über alle, die Interesse haben, und schwört allesamt auf das Konzept der »Koopetition« - eine Mischung aus Kooperation und Konkurrenz - ein.
Wie die Tourismus-Minister der Seidenstraßenländer den Aktionsplan der UN-Tourismusorganisation bewerten, wird auf dem Silk-Road-Gipfel nicht deutlich, denn sie kommen kaum zu Wort. Ihnen werden vor allem die Vorschläge der UNWTO unterbreitet und sie betrachten an die Wand projizierte Wachstumskurven. Alleine zwei Experten aus China und der Ukraine äußern sich: Beide unterstützen das riesige Gemeinschaftsprojekt.
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