Es geht nicht nur um schwarze Farbe
Herbeigeschminkte Physiognomie, unreflektierte Schauspieler - die Kritik an »Blackface« auf Theaterbühnen hat Zulauf
Es ist an der Zeit, auf einen Skandal der Vergangenheit hinzuweisen, der kaum Beachtung fand. Da sagt ein Kritiker eines staatlichen Radiosenders, es sei völlig in Ordnung, dass im Theater Frauenrollen überwiegend von Männern gespielt werden, denen dazu sehr große Brüste an den Leib montiert werden. Es gebe »keine nennenswerte Minderheit« von Frauen auf dem Markt, die die Rollen spielen könnten. Ein Missstand sei es vielmehr, dass hierzulande auf jede »abgedrehte« Debatte aufgesprungen werde, die Frauenversteher in den USA anzetteln, was »uns« lächerlich mache. Dass ein Theater angesichts der Kritik »eingeknickt« sei und seine Aufführungspraxis änderte, findet der Kritiker »sehr peinlich« und »will es nicht akzeptieren«.
Nun, ganz so hat Michael Laages es nicht gesagt am 13. April im Deutschlandradio Kultur. Er ist nicht gegen Frauenemanzipation, sondern gegen die Kritik am »Blackface«. Dieser Begriff bezeichnet eine Schminkweise, die einen stereotyp schwarzen Menschen erzeugt. Das wurde am Deutschen Theater zuletzt in Dea Lohers Stück »Unschuld« praktiziert. Nach Protesten der Initiative »Bühnenwatch« im Februar wurde das geändert. Intendant Ulrich Khuon nahm sich die Argumente des neuen, über das Internet gegründeten Netzwerks zu Herzen.
Die Diskussion weiterzuführen, lud das Ballhaus Naunynstraße am Donnerstag ein. Der Andrang war groß. Obwohl der Saal gewechselt wurde, fand ein Drittel der etwa 150 Menschen keinen Stuhl.
Auf dem Podium saßen sechs Kulturschaffende verschiedener Herkunft, jedoch mit afrikanischen Wurzeln. Die Diskussion war nicht kontrovers angelegt. Was der lange Abend brachte, waren vielmehr vor allem Schilderungen von Diskriminierungserfahrungen und (zum Teil übertriebene) Einschwörungen auf eine kollektive Schwarze Identität.
Es handelt sich um ein Kollektiv, das von den ethnisch hegemonialen kulturellen Kreisen, für die Laages' Äußerungen stehen, ausgegrenzt wird; dessen Kritiken nicht als die Gesprächsangebote aufgefasst werden, als die sie gemeint sind, sondern als abzuwehrende Angriffe. Zu begreifen wäre hingegen, dass mit dem Vorwurf »Rassismus« meistens nicht böse Absichten gemeint sind, sondern gesellschaftliche Strukturen. Laages' Invektiven sind offensichtlich einem Mangel an Interesse (den er zugibt) und Zuhören geschuldet.
Die Kritik hat zwei grundsätzliche Hintergründe. Zum einen die Diskriminierung der entgegen Laages' Äußerungen eben doch existierenden relevanten Minderheit an dunkelhäutigen Schauspielerinnen und Schauspielern. Nicht zuletzt die beiden Schauspielerinnen auf dem Podium, Lara-Sophie Milagro und Elizabeth Blonzen, gaben einen Einblick in die mehrheitliche Besetzungspraxis an deutschen Theatern, wo Dunkelhäutige meistens eben nicht egal welche Rollen übernehmen können - Weiße hingegen schon, selbst die von Schwarzen.
Der andere Punkt ist, dass es gar nicht nur um's schwarz Schminken geht. Blonzen kritisiert gegenüber »nd«, dass dabei auch eine Gesichtsphysiognomie herbeigeschminkt werde, und pralle rote Lippen. Es wird also unnötigerweise eine stereotype Figur geschaffen. Die auch noch für Fremdheit stehen soll. Zudem nervt Blonzen, dass die meisten Schauspieler, die Schwarze spielen, ihre Rollen affig anlegten und sich nicht in Hintergründe einläsen. Wenn Schminke und Spiel vernünftig sind, hat sie nichts gegen Weiße als Schwarze - weiß jedoch, dass das im Netzwerk Bühnenwatch auch anders gesehen wird. Auch Milagro schreibt in einem Internettext, dass sie nichts dagegen habe, dass »auch Weiße Schwarze spielen, solange dies ohne die Verwendung rassistischer Stilmittel geschieht«.
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