Orientierung nach unten

Komödie am Kudamm zeigt »Der dressierte Mann«

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Emanzipation versus männliche Selbstbehauptung: Neu ist der Stoff, auf dem die aktuelle Inszenierung des Theaters am Kurfürstendamm beruht, wahrlich nicht. Als Esther Vilar 1971, also vor mehr als 40 Jahren, mit ihrem Buch »Der dressierte Mann« die Gegenthese zur Feminismus-Bewegung aufstellte, flogen die Fetzen, Alice Schwarzer verglich das Werk der jüdischen Autorin gar mit dem »Stürmer«. Heute taugt der provokante Knüller gerade noch zum Lustspiel am Boulevard.

Mag das Thema ein alter Hut sein, am Kurfürstendamm sieht man einem spielfreudigen Schauspieler-Quartett - u.a. Michael von Au und Ursela Monn - gerne bei dem Versuch zu, den Geschlechterkampf neu zu regeln. Dabei hatte Vielschreiber John von Düffel nicht gerade einen seiner besten Tage, als er beschloss, Vilars Thesen von der Ausbeutung des Mannes durch die Frau als Basis für ein launiges Beziehungsstück zu nehmen; schließlich liest sich der Text heute selbst fast als Satire. Was Alice Schwarzer und ihre Schwestern damals so provozierte, war Vilars Behauptung, nicht die Frau werde vom Mann unterdrückt, sondern im Gegenteil der Mann durch die Frau - sie nutzt seinen Beschützerinstinkt aus, um ihn für sich arbeiten zu lassen. Oder, wie es im Stück heißt: »Männer sind Versorger. Wenn Du ihnen das nimmst, fühlen sie sich als Versager.«

In von Düffels Theaterfassung kommt, man ahnt es, der einzige Mann nicht gut weg - dafür darf er am Ende als Luxus-Hausmann alle austricksen. Doch erst einmal ist Bastian, gespielt von dem gut aussehenden Michael von Au, tief gekränkt, als Freundin Helen verspätet zum aufwändigen Dinner eintrifft: Der gemeinsame Chef hat ihr den Superjob im Bankvorstand angeboten, auf den Bastian insgeheim selbst spekuliert hatte. 50 000 Euro wöchentlich soll Helen künftig verdienen, das Zehnfache ihres Freundes - »Basti« fühlt sich entmannt und zieht den geplanten Heiratsantrag kurzerhand zurück. Während Helen noch hadert, was zu tun ist, nahen als Retterinnen in der Not die Mütter der beiden: Studierte Gender-Professorin und Feministin der ersten Stunde die Mutter von Bastian, Luxusweibchen in dritter Ehe die andere. Klar, dass sich beide zusammentun, um der ungeschickten Helen in einem Schnellkurs beizubringen, wie sie das schutzbedürftige Weibchen gibt. Und so wirbelt das Zahlengenie nach der Pause im pinkfarbenen 60er-Jahre-Kleid den Staubwedel, um doch noch unter die Haube zu kommen. Doch will Bastian überhaupt eine Hausfrau und Mutter an seiner Seite? Soll »jeder das machen, was er am schlechtesten kann«, wie Helen im ersten Akt formulierte?

Von Düffels Komödie lässt kein Klischee aus, zeichnet die Frau als knallhart berechnende Ausbeuterin und den Mann als stolzen Dummkopf, der sich mit Augenklimpern und Babysprache ködern lässt. Ein »dressierter Mann« eben. So falsch ist das nicht, schaut man sich an, mit welchen Tücken Karrierefrauen bei der Partnersuche zu kämpfen haben - auch heute noch orientieren sich viele Männer nach unten, während erfolgreiche Frauen vergebens nach einem Partner auf Augenhöhe suchen. Immerhin: Auch wenn Bastians Mutter, großartig gespielt von Maria Hartmann, ihrem Sohn vorwirft, »die Welt als Großraumbüro zu sehen statt als Abenteuerspielplatz« - Michael von Au spielt den verunsicherten neuen Mann überzeugend und kann sein komisches Talent voll entfalten. Ursela Monn als häusliche Zahnarztgattin und Susanna Simon als Helen stehen dem nicht nach und verleihen selbst altbackenen Dialogen einen gewissen Witz. Zwar bringt die Inszenierung unter der Regie von Martin Woelffer nichts Neues zutage, macht aber wenigstens den vielen Frauengruppen im Publikum Spaß - auch wenn man sich ein wenig vorkommt wie in den 70er Jahren.

Bis 24. Juni, Theater am Kurfürstendamm, Kurfürstendamm 206, Charlottenburg; Karten unter (030) 88 59 11 88

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