Trauma
Einwurf von Alexander Ludewig
Geschichte wiederholt sich. Vergleiche mit anderen deutschen Vereinen lehnt der FC Bayern aus seinem Selbstverständnis und ob seiner erfolgreichen Historie ab. Doch nach der Niederlage im Finale der Champions League fällt der Blick unweigerlich zehn Jahre zurück.
»So schlimm ist es noch nicht, dass wir uns mit Leverkusen vergleichen müssen«, spottete Münchens Manager Christian Nerlinger vor fünf Wochen nach dem 0:1 gegen Borussia Dortmund. Damit war die Meisterschaft verloren. Auf den Tag genau einen Monat später folgte die Pokalklatsche gegen den BVB. Nun ist, nach dem Elfmeter-K.o. gegen Chelsea, auch der letzte von drei möglichen Titeln verspielt. Vize-Bayern! Nicht nur die simple Tatsache, sondern auch die Tragik des Scheiterns verbindet die Münchner unweigerlich mit dem Leverkusener Team aus dem Jahr 2002.
Für Nerlinger ist aus dem Traum vom Finalsieg im heimischen Stadion ein »Alptraum« geworden. Doch womöglich ist es noch schlimmer. Bayer Leverkusen erlebte in der Folgesaison einen unglaublichen Absturz und wäre fast abgestiegen. Ganz so hart wird es den FC Bayern sicherlich nicht erwischen. Ein schnelles Erwachen aus dem Alptraum ist ihm zu wünschen. Doch auch die Gefahr, dass aus dem Traum ein Trauma wird, besteht. So fokussiert waren sie auf das »Finale dahoam«, auf den Titel, auf den Pokal.
Und nun? Nun sind sie allesamt in ein tiefes dunkles Loch gefallen, in dem nur absolute Leere und Bitterkeit sie umgeben. In jedem Gesicht war es zu erkennen, aus jedem Mund zu hören. Eine Lösung, das zu verarbeiten, hatte so kurz danach noch niemand. »Ich weiß nicht, wie das gehen soll. Es wird auf jeden Fall sehr lange dauern«, sagte Nerlinger.
Vielleicht bietet dem ein oder anderen Spieler die Europameisterschaft die Chance zur emotionalen Erholung. Aber die schrecklichen Erinnerungen haften eben am roten Trikot des FC Bayern. Zumal sich die Münchner auch nicht mehr an der nationalen Vormachtstellung laben können. Die zweite titellose Saison in Folge nagt am erfolgsverwöhnten Rekordmeister.
Selbst Uli Hoeneß, seit über 40 Jahren als Spieler, Manager und Präsident beim FC Bayern, »weiß nicht, wie ich das verarbeiten soll«. Aber zumindest hat er eine Idee, wenn auch keine sehr kreative: »Wir werden unsere Mannschaft so lange verstärken, bis wir wieder alleine an der Spitze sind. Wir haben das Geld dazu.« Und das Beispiel Chelsea zeigt ja: Geld schießt manchmal eben doch Tore. Alexander Ludewig
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