Wie das heiße Messer durch die Butter
Steffen Mensching über Fußball-EM, Eppelstädt, Theater und Tresen
nd: Was bringt einen Theaterintendanten dazu, ein Stück über Fußball zu inszenieren?
Mensching: Erst einmal liebe ich Fußball. Seit frühen Jahren habe ich eine intensive Beziehung zu dem Sport, habe jahrelang selbst gespielt. Und Fußball hat viele Verbindungen zum Theater. Da geht es um Spiel, um Leidenschaft, um Erfolg. Es ist eine sehr körperliche Angelegenheit. Es wird so ungeheuer viel Energie frei auf dem Spielfeld, aber auch auf den Rängen. Es geht um Sieg, Niederlage, Verzweiflung - Themen, die in großen Schauspielstücken zentrale Motive sind.
Und dennoch ist Fußball im Theater eher selten zu sehen.
Fußball ist keine Sportart wie jede andere, sondern ein Massenphänomen. Es gibt ja nicht mehr viele Geschehnisse, die Generationen und soziale Schichten übergreifend gesellschaftliches Interesse binden. Auch in unserem Stück konzentrieren wir uns nicht allein auf die Vorgänge auf dem Feld.
Was passiert in den 90 Minuten auf ihrer Bühne?
Wir werden etwas länger brauchen - wir rechnen mit Verlängerung. Das ist nämlich auch eine Besonderheit des Fußballs. Er bietet die Möglichkeit für Überraschungen. Dass kleine Mannschaften mit Glück, Tagesform und Versagen der Favoriten zum Erfolg kommen können. So ergeht es auch dem »Motor Eppelstädt«. Die Mannschaft spielt seit 15 Jahren zusammen Fußball und hat es nie geschafft, über die sechste Liga hinauszukommen. Und plötzlich geschieht dieses Wunder, dass sie wie das heiße Messer durch die Butter durch den Pokalwettbewerb marschiert. Die Spieler stehen nun kurz vor dem möglichen Einzug ins Finale. Aber erst einmal muss das Halbfinale gegen die TSG Hoffenheim gewonnen werden.
Die TSG Hoffenheim ist ein realer Verein, »Motor Eppelstädt« hingegen erfunden. Warum?
Eppelstädt ist eine fiktive Kleinstadt in Thüringen, an der Saale gelegen. Der Erfolg verändert auch das soziale Klima der Stadt, Begehrlichkeiten werden geweckt, Neid entsteht, Missgunst, Vetternwirtschaft. Eventuelle Ähnlichkeiten mit Rudolstadt wird der Zuschauer schon dechiffrieren.
Haben Sie Ihre Schauspieler zum Fußballtraining geschickt?
Einige haben enge Beziehung zu Fußball, entweder als Fans oder als aktive Spieler. Bei anderen ist es ein distanziertes Verhältnis. Wir haben zum Beispiel erst vor ein paar Monaten einen neuen Kollegen engagiert. Den habe ich aufgrund seiner Statur als Torwart in das Stück hineingeschrieben. Nun stellte sich heraus, dass er tatsächlich jahrelang Torwart war.
Wie setzen Sie das Geschehen im Theaterraum um?
Die Schwierigkeit für den Regisseur Herbert Olschok besteht darin, die Parallelität der Handlungen zu zeigen und einen Raum, der ein klassischer Außenraum ist, ins Theater hineinzutreiben. Unsere Hinterbühne ist das Stadion. Im Vordergrund sitzen die Fans in der Sportlerklause und liefern ihre Kommentare ab. Dazwischen ist eine fließende Grenze. Das heißt, das Stadion wächst auf den Tresen zu. Grasflecken verbinden die beiden Ebenen.
Spielen Sie »Der Aufstieg der Amateure« auch nach der Fußball-EM weiter? Und wenn Deutschland in der Vorrunde ausscheiden sollte?
Wir spielen das Stück, so lange es die Zuschauer sehen wollen. Ich bin optimistisch, dass wir 15 bis 20 Vorstellungen erreichen. Hier in Rudolstadt haben wir schon einen Erfolg zu verbuchen. Seitdem wir am Stück arbeiten, ist der FC Einheit Rudolstadt vom 13. auf den dritten Platz vorgerückt. Wer weiß: Wenn Deutschland Europameister wird, hängt das vielleicht auch mit unserem Stück zusammen.
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