Kleine Entschädigung
Die Schwimmer Helge Meeuw und Jenny Mensing melden sich in Debrecen mit EM-Silber zurück
Für wenige Minuten war das Schwimmerleben der Jenny Mensing ganz anders als sonst. Fotografen kämpften vor ihr um den besten Platz, eine Ehrenrunde um das Becken, in dem sie gerade ihren größten Erfolg gefeiert hatte, großes Medieninteresse nach ihrem silbernen EM-Rennen. Für einen Moment war die 26-Jährige in Debrecen aus dem Schatten von Paul Biedermann und Britta Steffen getreten. Doch große Freude wollte bei ihr nicht aufkommen - ebenso wenig wie zuvor bei Helge Meeuw, der nach langer Leidenszeit mit Silber endlich wieder positive Schlagzeilen schrieb.
»Letzte Woche war ich fast anderthalb Sekunden schneller. Es ist schade, wenn man weiß, dass man mit der Zeit von den Deutschen Meisterschaften Gold gewonnen hätte«, sagte Mensing nach dem Finale über 200 m Rücken: »Deswegen habe ich mich auch anfangs nicht über die Medaille gefreut.« Erst später realisierte sie ihren Erfolg. So gab es noch ein kurzes Lächeln. Und dann in silberner Freude Verwirrung über die anstehenden Aufgaben.
»Ich dachte, am Mittwoch sind die 50 Meter. Ich war bei der Mannschaftssitzung überrascht, dass die 100 kommen«, sagte Mensing. Mit der viertbesten Vorlaufzeit zog die Wiesbadenerin dennoch ins Halbfinale ein. Die Olympiatickets über 100 und 200 m hatte sie sich schon bei den DM gesichert. Sie hatte in Berlin die Rückenrennen dominiert, alle drei Titel gewonnen und über die Langstrecke zweimal deutschen Rekord aufgestellt. Doch Notiz davon hatte damals fast niemand genommen. Mensings Rückenkollege Jan-Philip Glania, mit zwei Titeln und einem nationalen Rekord der Shootingstar der Meisterschaften, stahl ihr die Show - und einem anderen etablierten DSV-Athleten.
»Ich habe nicht nur die Norm verpasst, sondern auch verloren. Ich war auf einmal ersetzbar«, sagte Helge Meeuw, der nach jahrelanger Dominanz bei den DM plötzlich nur noch die Nummer zwei war und sein London-Ticket im ersten Anlauf verpasste. EM-Silber am Dienstag war eine kleine Entschädigung, auch wenn der größte Druck schon nach der erreichten Olympianorm im Halbfinale abgefallen war. »Das war das Ziel. Und Silber ist ja auch kein Schmutz«, sagte der angehende Arzt. Die schwache Zeit verhinderte auch beim 27-Jährigen größere Freude: »Bei Olympia ist das natürlich nix. Damit gewinnt man keinen Blumentopf.«
Mit der ersten EM-Medaille seit seinem Titelgewinn 2006 beendete Meeuw seine Leidenszeit. In den vergangenen Monaten war er regelmäßig von Krankheiten zurückgeworfen worden. »Ich hatte das Gefühl, mein Körper rebelliert gegen den Sport. Ich glaube, ich habe mir alles eingefangen, was meine Tochter aus dem Kindergarten mitgebracht hat«, sagte der Magdeburger, der am Mittwoch auch über 50 m ins Halbfinale einzog. Töchterchen Nike Carlotta, die Meeuws Lebensgefährtin und Ex-Weltmeisterin Antje Buschschulte im Dezember 2010 zur Welt gebracht hatte, gab dem WM-Zweiten von 2009 aber auch die Kraft, die ihn in schwieriger Zeit antrieb.
Nun hat Meeuw im Sommer in London noch eine große Aufgabe vor sich: »Ziel ist es, endlich mal das zu holen, was drin ist. Das ist mir bisher zweimal nicht gelungen.« 2004 und 2008 verpasste er jeweils das Finale: »Ob es mit zwölf Wochen Trainingsausfall diesmal klappt, werden wir sehen.« Dann würde sich wohl auch Meeuw mal wieder richtig freuen.
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